wie organisiert man mobilität? wie organisiert man individuelle mobiltiät? ist das auto-mobil das einzige mittel dafür? während ich zwischen den bäumen, die ich vor jahr und tag pflanzte, gemähtes gras zusammenrechte, fiel mir plötzlich ein: nuthetal. das autobahnkreuz nuthetal. siebzehn kilometer stau am autobahnkreuz nuthetal … wer hat die entscheidung getroffen, die mobilität hierzulande über kraftfahrzeuge herzustellen? wann wurde die entscheidung getroffen? wo ist die weiche falsch gestellt worden? ist eine klassische industriegesellschaft denkbar, in der es kaum individualisierten kraftfahrzeugsverkehr, aber ein dichtes und hochfrequentes schienennetz gibt? oder anders: wieviel bäume muss ein durchschnitts-europäer im jahr pflanzen, um eine ausgeglichene kohlendioxid-bilanz zu haben? sozusagen: how many trees must a man plant in life?

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immer treffen menschen aufeinander, die sich miss-verstehen. aber wir können uns wohl auch nur miss-verstehen (binsenweisheit). wie weit unsere lese-fähigkeiten auch entwickelt sein mögen, wie sehr unser einfühlungsvermögen – zuletzt stehen sich immer zwei black boxes gegenüber. drei fälle sind denkbar: entweder bedenkt der eine zu wenig, was der andere zu viel bedenkt, so dass sich beide missverstehen; oder beide bedenken zu wenig und müssen sich folglich missverstehen, weil sie sich selbst nicht verstehen; oder beide bedenken zuviel und schweigen sich daher an, obwohl die luft fast birst. es ließe sich konstatieren: kommunikation muss scheitern. aber zuweilen glückt sie doch. ein wenig. scheinbar. das ist das rätsel, das wunder. utopia ist der ort, wo die kommunikation gelingt.

wie geht man mit verlorener intimität um? nähe, die sich verflüchtigt hat? was mag sie empfinden, wen sie mich heute sieht? woran mag sie sich erinnern? ob es ihr jetzt peinlich ist? was sie tat, was ich ihr einst ins ohr flüsterte? weißt du noch, wie wir auf dem teppich geblieben sind? – das trost-loseste bei alledem: die statistische unerheblichkeit all dessen. denkst du, nur dir geht es so? mir genügt schon die bloße vorstellung mancher begegnung, damit mir ein schauer den rücken hinunterläuft und mir ganz heiß und kalt wird vor scham: wie dumm ich mich einst benommen habe, wie un-bedacht, wie wenig be-herzt.  wie freundlich sie alle waren. wie zurückweisend ich, wie gefesselt und gelähmt durch imaginierten spott und vorgestelltes entsetzen. wie wenig wusste ich zu sagen, zu tun. wie wenig mut und einsicht, einfach zu beginnen, ein wort ergibt das andere, eine geste die andere. der furcht vor der zurückweisung vorsorgend begegnen mit ängstlichem zurückschrecken. aber das trost-loseste bleibt die statistische unerheblichkeit all dessen.

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im zeitgeschichtlichen forum ein gespräch mit r. e. es heiße nicht „führer/-in“, sondern „begleiter-/in“; wenn jemand „wende“ sage, werde er aggressiv oder verlasse den raum, ebenso bei „brd“; „nationalsozialismus“ müsse „nationalsozialismus“ genannt werden. – ich verzichtete auf eine bemerkung zum thema „wende“ versus „friedliche revolution“. sowohl sprachlich als auch inhaltlich finde ich den begriff „wende“ geeigneter, denn er beschreibt nicht nur die ereignisse des herbstes 1989, sondern auch den folgenden, tiefgreifenden transformationsprozess mit seinen ambivalenzen. dass er auf egon krenz und die sed-funktionäre zurückgeht, kann man ergänzend erwähnen; gerade der umstand, dass sich die ereignisse nach dem sturz von erich honecker derart beschleunigten und verselbständigten, macht meines erachtens den begriff so schillernd: seine eigene geschichte illustriert die machterosion des systems. als habe man in vierzig jahren zeit angestaut und im oktober 1989 sei der damm gebrochen – die ddr als ein zeit-stausee oder besser noch: kunstteich. – „revolution“ hat für mich einen technischen, abstrakten beigeschmack, unter ingenieuren und gesellschaftstheoretikern beheimatet. anläßlich des obama-besuches in buchenwald sprach der stellvertretende leiter der gedenkstätte von „wende“. mittlerweile streicht man bekanntlich dort auch die geschichte des lagers nach dem ende des zweiten weltkrieges heraus, also unter dem regime der sowjetischen militäradministration und der ddr.

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anlässlich der kommunalwahl in sachsen wird bürger w. j., 57, aus annaberg zu den stadtrats-wahlen befragt: „schön wäre es auch, wenn es künftig etwas mehr einigkeit und weniger zank gäbe.“ – die romantische sehnsucht der deutschen nach harmonie, der angenommene „volks-wille“, der nur zum ausdruck gebracht werden muss gegenüber den interessen von partei-, wirtschafts- und sonstigen eliten. („partei-bonzen abstrafen!“, „millionäre zur kasse!“) das ist eben der trugschluss, dass es einen solchen „volks-willen“ tatsächlich gäbe und ferner, dass sich „zank“ vermeiden ließe, dabei gehört streit wesent-lich zum demokratischen aushandlungsprozess, zum finden eines kompromisses, mit dem alle leben können, schmerzhaft zwar, nicht glücklich, aber sie können damit leben. – – – ach, ich doziere schon wieder. ex cathedra. ich kann es nicht lassen, aber welche berechtigung habe ich dazu, jemanden zu belehren, der sein leben halbwegs meistern kann? ich, der ewige lehrling.

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eine szene aus dem zeitgeschichtlichen forum leipzig. die führerin: weißt du denn, was ein pflugschar ist? – der knabe schüttelt den kopf. – aber du weißt, was ein pflug ist? – nicken. – dann weißt du auch, was eine pflugschar ist, das sind nämlich mehrere davon. abermaliges nicken. – – – im grimmschen wörterbuch heißt es: das breite spitzige eisen, so auf den eisernen pflug aufgelegt wird, das wird ein schaar oder pflugschaar genennet; bei wikipedia steht: pflugschar – das den boden horizontal schneidende messer, manchmal noch unterteilt in vorschneidenden „meißel“ und die nachschneidende eigentliche schar. –

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zum armutsbericht, der ein deutliches gefälle zwischen alten und neuen bundesländern ausweist, schreibt der südkurier aus konstanz: „städte wie tuttlingen, furtwangen oder donaueschingen verdanken ihre gesunde wirtschaftliche basis nicht staatlichen programmen, sondern der initiative, dem einfallsreichstum und dem mut der vorfahren. sie haben im letzten jahrhundert auswege aus der not dieser an rohstoffen armen region gesucht. doch der wandel von der landwirtschaft zur industrie hat generationen gedauert.“ – das ist schon ein starkes stück – an selbstgerechtigkeit. es fragt sich, wie viele redakteure regionaler und überregionaler zeitungen aus den alten bundesländern in mitteldeutschland waren, mit den menschen gesprochen und sich ein bild vor ort gemacht haben. vermutlich meinen sie, es genügt eine angeheiratete großtante zu haben, die um 1970 einen tagesausflug nach weimar oder dresden gemacht hat. da wird munter das bild vermittelt, ja mehr noch: bestätigt und tradiert, wonach alle in den „neuen armutsregionen“, eine bezeichnung für die neuen bundesländer mit einiger schärfe, mindestens seit der steinzeit auf der faulen haut gelegen haben und überschuss, sofern er durch glückliche umstände tatsächlich einmal mehr eingetreten ist als erwirtschaftet wurde, sofort verprasst haben. prassnik eben. da kann man nur ebenso überspitzt erwidern: als sie da im südschwarzwald noch mit fellen ums feuer gesprungen sind, hat man im erzgebirge schon maschinell wasser aus und frischluft in die bergwerke be-fördert und in leipzig nach ost- und westindien oberlausitzer und schlesisches tuch verhandelt. die deutsche teilung und deren langfristige wirkungen beruhten ja nicht auf leistungs-moralischen kriterien: hier die faulen, dort die fleißigen, sondern, wenn man so will, auf dem moralischen versagen aller, denn hitlers drittes reich, seine sozialen geschenke und seinen eroberungskrieg haben alle gemeinsam mehrheitlich begrüßt und unterstützt oder wo nicht, so zumindest: billigend in kauf genommen. die kommunistische diktatur zwischen elbe und oder, erzgebirge und ostsee ist ja nicht vom himmel gefallen, genausowenig wie die russischen (sowjetischen) bajonette, auf denen sie ruhte, plötzlich aus dem boden sprossen: 1941, 1939, 1933 – war da was? in tuttlingen, furtwangen und donaueschingen offenbar nichts.

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walter kempowski schreibt über sein tagebuch: „(…) da ich das haus selten verlasse, schreibe ich auch tagsüber jede nur denkbare beobachtung ein, auch reflexionen und all das, was ich mir sonst nicht durchgehen lassen darf: klagen und schimpfereien. (…) mein jetziges tagebuch trägt die nummer 111, jeden tag kommen zehn, manchmal auch mehr seiten dazu, ich freue mich, wenn sich die bücher füllen, das ist wie ein sich selbst vermehrender schatz. tage ohne eintrag kommen mir dumm und leer vor. (…) immer wieder bin ich verblüfft, wie die tatsächlichkeiten in der reflexion ihren fiktiven charakter freigeben. erst in der ausformulierung entstehen die tatsachen, an denen ich mich orientiere. ich vervielfache mein leben durch die täglichen notate, ja, ich erfülle es. (…) ein schriftsteller, der kein tagebuch schreibt, ist irgendwie schief gewickelt, mit dem stimmt was nicht. (…)“ (zit. nach: ein etüdenspiel. kempowskis antwort zum thema tagebuch, in: volker hage: walter kempowski. bücher und begegnungen, münchen 2009, s. 106f.) – – – dem kann ich nur zustimmen: ich freue mich auch, wenn die seitenzahl im textdokument wächst und die anzahl der gefüllten notizbücher zunimmt; ich habe in diesen zeilen auch irgendwo schon einmal davon gesprochen, dass ich immerzu mit offenen augen auf der suche nach material umherlaufe, mir erst durch die verschriftlichung meiner erlebnisse und beobachtungen meines daseins so eigentlich bewusst werde, das gefühl habe, meine texte wie eine gewaltige schleppe hinter mir herzuziehen. es gelingt mir jedoch im augenblick noch nicht durchgängig, ständig das notizbuch greifbar zu haben und auch tatsächlich zu notieren. ich habe zwar beispielsweise beim autofahren ein diktiergerät dabei, um das eine oder andere mit grobem strich festzuhalten, aber erstens funktioniert es nicht zufriedenstellend und zweitens fehlt mir danach die zeit zur ausformulierung und reinschrift. aber es bleibt das ziel: ständig notieren, um aus der fülle einiges destilieren zu können – ganz im sinne der pechblende. und fragt jemand, wer das alles lesen soll, so antworte ich: keiner wird gezwungen, meistenteils handelt es sich ohnehin nur um fingerübungen, aber warum sollte man sie arkan betreiben? transparenz und glasnost lassen sich mit den gegenwärtigen technischen möglichkeiten so leicht wie noch nie realisieren; auch sie haben ihren reiz – zumal so viel vorerst noch ungesagt bleibt, bleiben muss, nicht ausgeprochen werden kann, darf. – ferner teilt kempowski seine affinität zu büromaterialien mit: „(…) ich hatte eine schwäche für karteien. ich spielte gern mit leeren karteikarten, besaß mehrere karteikästen in verschiedenen größen, wusste jedoch nicht, was ich damit anfangen sollte. büromaterialien haben mich schon immer fasziniert. ein sauber gespitzer bleistift, ein füllfederhalter mit goldener feder, ordner, vorordner, notizbücher jeder art und karteien. (…)“ (zit. nach: „bis ans ende meiner tage“. interview in nartum, september 1993, in: ebd., s. 96.) – – – man könnte sagen: alles was ich tue, tue ich, um mich mit büromaterialien umgeben zu können. der inhalt ist mir letztendlich gleichgültig, es kommt mir nur auf das abheften, ordnen, verzetteln, auf die spitzen bleistifte und auf die notizbücher an … aber so ganz stimmt das auch wiederum nicht, denn sobald ich irgendwo büromaterial sehe, denke ich: was ich damit wohl alles notieren, erforschen, herausfinden könnte?

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nirgendseinstein

ich bin breit / in die ebene / zerflossen, / in der kein stein zu finden ist, / nicht zerstreut, erst recht nicht / aufeinander geschichtet wie / am feldrain. // was sollte ich auch / mit dem brocken beginnen? / wohin sollt ich ihn werfen? / es sieht überall genauso aus / wie hier, weshalb dies wort / seinen sinn verlor / als der letzte unterschied verschwand. // auf wen sollt ich ihn werfen? / es ist keiner mehr da, / aber ich bin nicht der letzte, / denn wer wüsste schon: wovon? / ich kann ihn auch / auf keinen berg mehr wälzen, / weil es nicht einmal mehr hügel gibt. // als ob gott nur / ein hirngespinst wäre / und nur dies hirngespinst / zu haben und darum zu wissen / mich unterschiede von allem, was / sonst lebt – der regenwurm, der in der ebene / gelangweilt lungert, lächelt leise / wie ein uhrwerk in der stille tickt.

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sozusagen à la recherche du matou perdu auf dem anger-fabrikgelände umgesehen. umhergestreunt. viel fotografiert. – sehr melancholisch. ich konnte nicht aufhören, fotos zu machen, es ist eine sucht: der dokumentations-wahn. euphemistisch wird davon gesprochen, städtebauliche schandflecken zu tilgen. architektur-euthanasie, wenn man so will. erst verschwindet die industrie-kultur, die mit ihren proto-industriellen wurzeln (hammer-, pochwerke, blechschmieden usw.) die region ein gutes halbes jahrtausend prägte, dann werden die spuren davon noch beseitigt – und was bleibt zurück? eine ent-koppelte gegend, in der arme, alte, abgehängte und aussteiger wohnen, hausen, vegetieren. – bevor die möbel-fabrik, wie sie gemeinhin genannt wird, endgültig weggerissen wird, sollte ich ein paar fotos sammeln und dazu aus möglichst gleicher perspektive ergänzende von heute machen. das bewahren des vergehenden. ein-zwei, drei-vier ehemalige anger-werksarbeiter bei einem letzten spaziergang über das fabrikgelände interviewen. – meine erste erzählung hatte eben jene fabrik und ihre unternehmer zum gegenstand. damals interessierte mich mehr der aufbau, heute mehr niedergang und verfall. ich trug den text sorgsam in ein liniertes schulheft ein, das ich einige jahre zuvor um 1985 bei einer stuhl-polka (reise nach jerusalem) während eines kur-aufenthaltes in bad salzungen gewonnen hatte.

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geträumt: die hühner überwinden den zaun, sie flattern zunächst auf die zauns-pfähle, dort ruhen sie sich einen augenblick in falken-manier aus. dann gleiten sie in die wiese auf der anderen seite, wo sie sich tummeln als trübten sie kein wässerchen. sogar der junge hahn ist mit von der partie. in der konsequenz muss der zaun erhöht werden. – ein ewiger kampf der anpassung und gegen-anpassung: die mühen der ebene, das wälzen des steines, der nicht auf dem hügel und berg liegen bleibt – ob das tal, in das er immer wieder rollt, stets dasselbe ist oder jeweils das nächste, macht für denjenigen keinen unterschied, der den stein wälzen muss. aber es gibt keine alternative dazu, denn man kann ja nicht niedersitzen zu trauermären von der könige tod. – wir wälzen also, wir wälzen, wir wälzen.

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am nachmittag ein podiumsgespräch in der alten handels-börse. eine frau von der oecd sieht den bologna-prozess als erfolg. kurt biedenkopf fährt pirmin stekeler-weithofer in die parade: nein, das problem der reform der hochschule und ihrer transformation in eine globalisierte welt sei keine finanzielle frage, es sei eine frage des denkens. punktum. zweifelsohne muss sich in der deutschen universität ein mentalitätswechsel vollziehen: weg von der wilhelminischen anstalt, in der jeder glaubt, etwas zu sagen zu haben, nur weil er hinter einem schreibtisch sitzt (1); hin zu einem dienstleistungs-denken, wohlgemerkt nicht in einem engen ökonomischen sinn gemeint, sonst heißt es gleich wieder: neoliberales arschloch! hier wird ein dienst geleistet, bezahlt von der gemeinschaft, weshalb sie auch der adressat sein muss – und nicht der bittsteller vorm schreibtisch mit entblößtem und gesenkten haupt, aber wohlgemerkt auch nicht in einem simplen kosten-nutzen-verhältnis, sonst heißt es gleich wieder: vulgärmarxist. aber man kann so viel an den strukturen ändern, wie man will, die „chronische unterfinanzierung“ der hochschulen löst man damit nicht.

(1) my desk is my castle.

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