ein bergmännisch inspiriertes kirchenlied, das traditionell zur christmette in st. salvator gesungen wird:

lobt gott, ihr bergleut, all zugleich / in seinem heiligtum; / der uns aufschleußt der teufen reich, / ihm sei allein der ruhm, ihm sei allein der ruhm. // er zeigte uns der erden schoß, / der gänge bruch und macht: / wir hauen das gesteine los / bei licht in steter nacht. // glückauf! ist unser losungswort / im düstern gang und schacht. / wir sitzen mit gefahr vor ort, / doch hält uns gott in acht. // die hoffnung bleibet immer fest / und wächset täglich fort. / herr, du bist’s, der uns nicht verlässt, / wir bauen auf dein wort.

bild-4-093s

Veröffentlicht unter erzgebirge | Schreib einen Kommentar

bärenstein und vejprty/weipert wollen, wie unlängst im lokalteil der freien presse zu lesen gewesen war, die brachläche beiderseits der grenze zu einer „gemeinsamen mitte“ gestalten mit einer „achse der geschichte“: bergbau, handwerk, industrie, zweiter weltkrieg, kalter krieg, gegenwart. – da wächst zusammen, was immer zusamenhing, nur im 20. jahrhundert nicht. das hätte zwar schon zehn, fünfzehn jahre früher passieren können, aber man beobachtet befriedigt, dass die zusammenarbeit über die grenze hinweg noch doch endlich platz greift und gestalt gewinnt.

Veröffentlicht unter erzgebirge, mitteleuropa | Schreib einen Kommentar

in der beurteilung der meisten menschen, frauen, die einem begegnen und die man im ersten augenblick für interessant und näher kennenlernenswert hält, stellt sich über ein kurzes ernüchterung ein. man sucht das ideal und findet wirkliche menschen. selten macht man jedoch die erfahrung, dass die erste begeisterung nicht nachlässt, je mehr man erfährt vom anderen, sondern, wo nicht wächst, so doch bestätigt wird – oder die eigene urteilsfähigkeit ist getrübt von einem botenstoffmix.

Veröffentlicht unter anthropologie, staunen | Schreib einen Kommentar

im foyer des instituts kommt mir aus dem dunklen dezembernachmittag der zeithistoriker h. entgegen. ich grüße: guten abend. es ist kurz nach vier uhr. er hält mich vermutlich für völlig verwirrt oder dumm. es ist mir zuweilen sehr peinlich, ihm zu begegnen. mir scheint es, als habe ich ihn enttäuscht und verraten – was hart und pathetisch klingt. eine ausgestreckte hand ausschlagen. wie man einen ureinwohner beleidigt, weil man einen bestimmten gabe-ritus fehldeutet und aus falscher bescheidenheit, die nicht geheuchelt, aber fehl am platze ist, sein geschenk ablehnt. warum habe ich mich nur mit solcher engstirnigkeit auf die frühe neuzeit kapriziert? nicht dass die vormoderne uninteressant sei, aber bei h. hatte ich eine gelegenheit, mich in die gegenwartsnahe vergangenheit einzuarbeiten – und schlug sie aus. jetzt merke ich, wie sehr mich die fragen der jüngeren und jüngsten vergangenheit umtreiben. gewiss: ich spule mein lot ein halbes jahrtausend bis zum zweiten erzgebirgischen berggeschrei, der gründung schnee-, anna- und marienbergs, bis zu luther, adam ries, georg von carlowitz und herzog moritz ab. aber das zwanzigste jahrhundert brennt mir genauso auf den fingern wie mir die letzten fünfhundert jahre in dieser weltprovinz zwischen elbe, mulde und saale den atem verschlagen. eine straße, ein weg, gesäumt von kürzlich beschnittenen weiden, novemberkahl die felder, die sich in sanften hebungen und senkungen erstrecken, der frost hat die farbe aus den dingen gezogen, die landschaft schläft gelassen, novemberkahl der himmel, blass scheint die sonne dicht überm horizont durch die wolken. ein reiter jagt über den weg, ein paar raben krächzen, sonst rührt sich nichts? 1517, 1548, 1595, 1630, 1733 … wann spielt’s? ein netz von bezügen hängt an dem reiter, ohne dass er es sich bewusst wäre …

ein pärchen verlässt das gebäude, als ich es betreten möchte. er hat seinen arm um ihre schulter gelegt und sie ist, scheint mir, reduziert auf ein lächeln, sie ist daseinsfreude ungetrübt durch zweifel. sie kennen sich gewiss nicht lange, alles andere sollte mich überraschen – aber ich lasse mich gerne überraschen, denn das alles gibt es. also … – eine junge frau rennt auf einen jungen mann zu, so dass man einen heftigen zusammenprall erwartet. aber sie berühren sich allein mit den lippen, sie freut sich, strahl und schließt die augen, einen hauch zeit bevor sie ihn küsst. – ein hauch zeit … so ein unsinn. säuselseuselsoisel.

Veröffentlicht unter erzgebirge, historiografie, mitteldeutschland, pärchen, poetik | Schreib einen Kommentar

ich glaube, es gibt in dieser welt und in diesem leben keine investition, die sich auch nur annähernd so lohnt wie diese in die großen, edlen, erhabenen künste. wenn man da arbeit rein steckt, dann kriegt man was zurück (joachim kaiser).

Veröffentlicht unter poetik | Schreib einen Kommentar

aus einem lautsprecher heraus sang eine säuselnde frauenstimme: „i would be the answer …“ – vermutlich: „… for you.“ – so ein unsinn. – ganz davon abgesehen, dass damit einmal mehr die norm gesetzt wird: frauen müssen säuseln. so ein unsinn.

Veröffentlicht unter anthropologie, staunen | Schreib einen Kommentar

ich laufe durch die stadt und halte ausschau nach beobachtungen, die ich notieren kann. ich lebe für den text.

Veröffentlicht unter poetik, staunen | Schreib einen Kommentar

ich habe mir im grunde, auch lange bevor das veröffentlichen überhaupt in sicht war, schon immer gewünscht, dass ich irgendwann mal die gelegenheit bekomme, mich zu themen zu äußern (juli zeh).

(… ) das leben eines schriftstellers (…) gleicht einem steinbruch, in dem er das material für seine geschichten abbaut. manche figuren und orte besitzen vorbilder in der so genannten realität, andere nicht; wieder andere sind mosaikartige zusammenschnitte aus wirklichkeitsfragmenten, nach belieben mit erfundenem durchmischt. der grad der verfremdung folgt dabei keinen anderen gesetzen außer jenen des inhaltlichen und formalen gestaltungswillens und variiert von fall zu fall. mit autobiografie hat diese methode nicht das geringste zu tun. (juli zeh, zur hölle mit der authentizität, in: die zeit vom 21.09.2006.)

Veröffentlicht unter poetik | Schreib einen Kommentar

ich muss aufpassen, dass diese zeilen nicht zu einem diarium eroticum oder zu einem journale sentimentale werden.

jean-marie gustave le clézio erhält den nobelpreis in stockholm; der dlf rezensiert sein neuestes buch über das vanatu-archipel:

(…) eine neue art des denkens, ein intuitiveres, auffälligeres, bedrohteres, das dafür aber eingestimmt ist auf die chaos-welt und ihre unvorhersehbarkeit, wird vielleicht gestützt von den erkenntnissen der geistes- und sozialwissenschaften, es verweist aber auch auf eine vision des poetischen und imaginären auf der welt. dieses denken nenne ich archipelisch, das heißt, es ist nicht-systematisch, sondern induktiv, es erforscht das unvorhergesehene des welt-ganzen, es bringt den mündlichen ausdruck mit dem schriftlichen in übereinstimmung und umgekehrt (eduard glissant). dieses archipelische denken begleitet auch das publizistische projekt „völker am wasser„, das demnächst mit einem beitrag von glissant selbst fortgesetzt wird. glissant hat in verstreuten aufsätzen und büchern auch eine dynamische poetik der vielheit und der beziehungen formuliert, die in jean-marie le clézios gesamtem werk durchscheint. wenn man ihm, der ja in seinen romanen tatsächlich eine kulturelle und repräsentative vielheit pflegt, den vorwurf des ethnokitsches macht, dann ist das zu kurz gegriffen. in seinem brillianten report über die pazifikinsel raga zeigt le clézio sich deutlich in diesem archipelisch-poetischen licht. es verleiht dem unsichtbaren kontinent und seinem chronisten auf faszinierende weise kontur und farbe.

(11.12.2008, http://www.dradio.de/dlf/sendungen/buechermarkt/888905/.)

Veröffentlicht unter anthropologie, diarium, literatur, poetik, Uncategorized, welt | Schreib einen Kommentar

es reicht nicht aus, dass die gedanken zur tat drängen, es muss auch dafür gesorgt sein, dass der gedanke eine bedrängende wirklichkeit in einen schwebezustand versetzt (novalis).

man kann die dame des herzens einfach fragen, was man wissen will und je nach antwort weitersehen. es ist ein trugschluss zu glauben, zuwarten änderte, verbesserte etwas. wo sympathie und interesse bestehen, macht geduld nicht mehr daraus; wo sie nicht bestehen, kann geduld sie nicht erzeugen. im gegenteil mag zuviel an geduld die aussichten der absichten trüben. übertrieben wäre wohl, sie zu umarmen und ihr ins ohr zu flüstern: ich liebe dich, mein gott, ich liebe dich. was heißt schon: „ich liebe dich“? – aber warum sollte man sympathie und hingezogenheit verschweigen oder verschleiert zum ausdruck bringen. die strategie des überrumpelns: du bist schön, du bist klug, du hast ein freundliches wesen. ich will so viel von dir als irgend geht und du bereit zu geben bist.

ich wollte dir so gerne sagen, / wie lieb du mir im herzen bist; / nun aber weiß ich nichts zu sagen, / als dass es ganz unmöglich ist (gottfried wilhelm fink). auf den ersten blick beschreiben die zeilen einen sachverhalt, wie man ihn nur zu gut kennt. auf den zweiten blick stellt sich indessen die frage, ob das verstummen gegenüber der dame des herzens nicht gerade durch solcherart zeilen erst entsteht. beruht das interesse auf gegenseitigkeit, ist die frau auf der andern seite der kerze zumeist nicht weniger voller zweifel als man selbst. täuscht man sich hingegen über die erwiderung der eigenen sympathie, bringen klare worte gewissheit und man muss sich nicht länger quälen und schlaflos wälzen.

aus den gelegenheiten und begegnungen, die der zufall uns bietet, gilt es das beste zu machen. dabei ist der himmel nicht das limit, die bedingungen der welt begrenzen die gestaltungsmöglichkeiten ohnehin. vielleicht sollte man den zufall, frau fortuna, nicht als böse oder launisch betrachten, sondern vielmehr als eine alte nachbarin oder entfernte tante, die es gut meint mit dem kind und ihm ein paar groschen zusteckt. kontingenz heißt auch, dass man nicht notwendigerweise ein spielball des zufalls ist. an uns liegt es, sich in die gegenwart zu werfen, in die riemen zu legen mit aller kraft, die zu gebote steht. die kunst besteht darin, in den zufällen die möglichkeiten zu sehen, ohne sich auf einen pfad zu versteifen. stellt sich einer als sackgasse heraus, die nächstbeste abzweigung nehmen. wohlgemerkt nicht unbedingt die nächste, sondern die nächstbeste abzweigung. sie zu erkennen hilft der innere kompass, der einem sagt, wo die übereinstimmung zwischen dem weg und dem eigenen wesen größer und wo sie geringer ist. man kann zwar auf diese weise nicht abschätzen, wohin man gelangt schlussendlich, aber man gelangt ohne zweifel sehr weit ohne sich von sich selber zu weit zu entfernen.

manchmal bin ich so sehr gefangen in eigenen gedanken, dass ich die wirklichkeit, die mich umgibt, wie einen film wahrnehme. hernach stelle ich dann erstaunt fest, dass ich mitgespielt habe.

Veröffentlicht unter anthropologie, poetik, welt | Schreib einen Kommentar