der schriftsteller ist nur noch zeuge seiner zeit, sagte jean-marie gustave le clézio im rahmen der nobelwoche in stockholm. zeitzeugenschaft. der stille beobachter der gegenwart. ein ethnologe für sich selbst, dem die eigene kultur, ja er selbst fremd ist, der sie und sich verstehen und immer wieder übersetzen muss.

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draußen fällt der schnee dicht in üppigen flocken. – nußbaumblätter liegen unterm schnee …

was kann denn die literatur verändern in unserer welt, fragt der interviewer. die literatur kann gar nichts, es kommt auf den leser an, antwortet giwi margwelaschwili. – ich würde sagen: sie kann nichts und alles verändern, wenn sie einen menschen verändern kann. zaubersprüche gibt es – die worte nämlich, die in einer bestimmten situation gesprochen alle anspannungen lösen können.

manchmal hat man einfach lust, sinnfrei auf der tastatur zu tippen: hdzöäöäöä..9)klqewertz??? /// §³;-:´_` pqlmzvrpalmzweigpqchpqch / 45ggv7I)je888h2b <>lüdikdikdükdük ,,,,,,,,,,,,,,,,, fnfnfnpf ________ allein, man denkt sich doch immer etwas dabei. man kann es nicht ausschalten, das suchen von sinn, das stiften von sinn.

nußbaumblätter liegen unterm schnee; / der sinn geht stiften nach hawaii; / ich hab keine frau, keine kinder, keinen klee; / ich bin nicht gefangen und ich bin nicht frei, / lieg unterm laken und krieg keine ideen …

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am morgen gestern eine zeitungsnotiz, aus der hervorging, dass der göttinger germanist und thomas-mann-forscher heinrich detering den leibniz-preis im nächsten jahr zugesprochen bekomme. am abend wollte ich genauer wissen, was es mit ihm auf sich habe und stieß auf ein projekt, das er mit kollegen aus prag und zürich verfolgt: eine literargeographie europas (http://www.literaturatlas.eu/index.html), zunächst an drei modellregionen. nordfriesland, prag („ein hotspot der weltliteratur“) und die gegend um gotthard und vierwaldstätter see.

der beschreibung des vorhabens ist ein wort von lojze wieser vorangestellt: der welt ihre erzählbarkeit geben, heisst das nicht auch an eine landkarte der literatur zu denken, die auch den raum der literatur würdigt? so ist es. es gibt bemerkungen, die so vollständig eigene gedanken zum ausdruck bringen, dass man nicht enttäuscht oder verbittert ist, weil einer einem eine idee geklaut hat, sondern man ist ganz im gegenteil so sehr begeistert, elektrisiert, überwältigt, man möchte die ärmel hochkrempeln und gleich beginnen. die erkenntnis, die tief befriedigt, weil sie bestätigt: es geht nicht nur mir so. deine ideen sind nicht so verschroben und weltfremd, wie dir gesagt wird – oder wie du meinst, man würde dir’s sagen, sprächest du sie aus.

eine literargeografie – derlei schwebt mir auch für leipzig vor anlässlich des tausendjahrgedenkens. zwei ebenen der literaturhistorischen topographie müssten auf eine karte gebracht werden: welche dichter/schriftsteller/autoren lebten hier? und welche literarische texte haben leipzig, das reale oder ein fiktives, zum raum? das ist nicht zuletzt auch eine art der landeskunde. die landschaft (stadttopographie) ist die quelle, bemerkte einmal gerhard graf. man geht durch die stadt und sieht in die geschichteten schichten der vergangenheit (geschichte ist auch immer geschicht, sagt thomas mann in den josefsromanen), als liefe man auf einer großen fläche, die immer wieder mit glas überzogen wurde, manches sieht man besser, manches kaum. eine literaturhistorische topographie der stadt leipzig. und im nächsten schritt: mitteldeutschlands. eine bildungslandschaft ist auch immer eine literaturlandschaft. mit dresden, leipzig, weimar, weimar, weimar, jena, der oberlausitz gibt es hier eine ganze reihe von hotspots der weltliteratur. wenn man den blick schärft, wird man zudem eine fülle von weiteren orten finden, die ein stück weit entrückt und vergessen, gleichwohl aber von bedeutung sind. noch eine lebensaufgabe.

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am fuß der treppe in der albertina ein pärchen, hand in hand, sie redete eindringlich auf ihn ein. die welt um sie herum, zu der ich gehörte, spielte keine rolle.

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ein bonobo fand in seinem gehege einen verletzten star, er nahm den vogel vorsichtig in die hand, stieg auf einen felsen im gehege, spannte ihm die flügel und warf ihn sanft in die luft – der vogel flog davon (aus einer zeitung). – auf meinen schreibtischen (!) sammeln sich stapel von zeitungen und büchern, die ich lesen will, muss, sollte. ich hetze und hechele immer nur hinterher. was mir gelingt, wenn ich ein paar stunden zeit habe, ist die masse an aufgaben auf ein erträgliches maß zu verkleinern. den tag möchte ich erleben, an dem ich nicht weiß, was ich machen soll – weil es keine aufgabe gibt. – beim abarbeiten des zeitungsstapel eben jene notiz über den fürsorglichen affen. manche dinge rühren einen beinahe zu tränen, so eine zeitungsnotiz, eine alltägliche beobachtung, ein flüchtig gesagtes wort. — was würden sie an einem tag tun, an dem sie plötzlich frei hätten? – ich habe immer „frei“, deshalb habe ich nie „frei“. (was heißt „frei haben“?) wenn ich zeit habe, ziehe ich aus einem der zahlreichen stapel kaumbegonnenes/unerledigtes ein blatt papier – und habe wieder zu tun. (was heißt „zu tun haben“?) – ich habe gar keine zeit …, ich bin so beschäftigt … – womit eigentlich, wenn man fragen darf? – darf man aber nicht, wäre ja noch schöner, meine selbstentwürfe zu kritisieren. — und immer so weiter, immer so weiter, so weiter, weiter …

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geträumt: barack obama sei en famille zu besuch, nach einigem zögern frage ich ihn, ob er nicht einen aufenthalt in washington, im weißen haus, für mich arrangieren könne. er zögert und sagt in einer weise zu, die alles und nichts bedeuten kann. – ich erwache in dem bewusstsein, immerhin den amerikanischen präsidenten gesprochen und aussichten zu haben, eine art gastaufenthalt im weißen haus eingeräumt zu bekommen. – merkwürdig, kopfschütteln. — obama überall, selbst in den träumen. merkwürdig, kopfschütteln.

(…) humanismus schadet den diktatoren. humanismus lehrt, den staat als instrument zu begreifen. diktatoren wollen das gegenteil. die menschen sind das instrument, der staat ist der sinn, das ziel. (…) (dmitrij muratow, die instrumente wehren sich. der prozess um den mord an anna politkowskaja zeigt: es gibt in russland stolze menschen, die dem staat entgegentreten, in: sz vom 03.12.08, s. 2.) – man gewinnt zuweilen den eindruck, als sei manchem nicht der staat, sondern das wirtschaftssystem und seine aufrechterhaltung das ziel, während die menschen das instrument dazu sind. hilfreich scheint auch hier die rückbesinnung auf den humanismus. es muss keine hybris sein, wie pfarrer v. in seiner ablehnung paganer griechischer philosophie meinte, den menschen als maß aller dinge zu begreifen. – bin ich wegen dieser auffassung schon ein atheist, kommunist? was bin ich, wenn mir beide aussagen kopf- und bauchschmerzen bereiten: „die partei hat immer recht!“ – „der heilige paulus will, dass wir profit machen!“ am ende weder baum noch borke? … der mensch als instrument für den menschen: einander hüter sein, das eigene leben meistern und den andern dabei helfen, ihrs zu meistern.

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vor 599 jahren wurde im thomaskloster die universität leipzig gegründet. sie geht ins 600. jahr ihres bestehens. universitätsgeschichte, wohin man sieht – und ich mittendrin. eine schelmin, die „heuchelei!“ hüstelt und flüstert … eine blonde schelmin. – mit berechtigung lässt sich fragen, warum ich mich damit beschäftige und nicht meine eigenen dinge weiterverfolge. es liegt viel pathos in andrzej stasiuks wort, der ort, an dem man lebe, verpflichte; es verschleiert die umstände auch ein wenig. niemand engagiert sich aus dem gefühl der verpflichtung. andererseits ist engagement kein purer zeitvertreib zum vergnügen. man fühlt sich gezwungen. das unijubiläum ist eine einmalige gelegenheit, das gebe ich unumwunden zu. ich weiß ganz genau, wie sehr ich mich später ärgern würde, wenn ich jetzt nichts unternähme. diese gelegenheit darf man nicht verstreichen lassen. es ist zweifelsohne schwer, solche gelegenheiten zu erkennen. aber wenn man eine erkannt hat, ist es schwer, sie ungenutzt verstreichen zu lassen.

ich lief durch die bibliothek, zwei frauen sahn erst mich, dann sich an und lachten leise, als hätte ich eine rote bommelmütze auf dem kopf. hatte ich aber nicht. „greulweiber“, dachte ich später, werde ich sie nennen.

zwei graue weiber, halbnackt, zottelhaarig, mit hängenden hexenbrüsten und fingerlangen zitzen, hantierten dort drinnen aufs gräßlichste. über einem becken zerrissen sie ein kleines kind, zerrissen es in wilder stille mit den händen – hans castorp sah zartes blondes haar mit blut verschmiert – und verschlangen die stücke, dass die spröden knöchlein ihnen im maule knackten und das blut von ihren wüsten lippen troff. (thomas mann, der zauberberg, frankfurt am main 1991, s. 676)

dennoch fasziniert mich die eine von beiden auf seltsame art, lächelt mich zuweilen an, dass ich es nicht anders als freundlich gemeint auffassen kann. aber wenn ich an sie heranträte, wie mir frau courasche ins linke ohr flüstern würde, und fragte, ob sie nicht lust hätte, mit mir bei einem getränk ihrer wahl ein wenig zu plaudern (der alte plauderer … von wegen „plaudern“, ha! „unterhalten“ kann auch anders gemeint sein …), die lachte mich doch aus. mit dir, dir? woraufhin mein sprödes-blödes* rückgrat angeknackt, wenn nicht ganz zerknirscht ist. * „spröde“ zwingt zur verwendung von „blöde“, da ist man ganz machtlos …

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ein interessanter vorschlag: die mehrwertsteuer auf dienstleistungen von mittelständischen handwerkern auszusetzen. freilich: was heißt „mittelständischer handwerker“? wieviel kostet das? nützt es tatsächlich? – es kommen vielfältige vorschläge auf den tisch, aber welche sind solide und welche sind zu kurz gedacht? auch in (volks-) wirtschaftsfragen meint jeder, er könne, ja müsse mitreden. – wenn ich all das höre, habe ich den eindruck, so unbedarft nun doch nicht zu sein – gerade auch in diesen grundsätzlichen fragen. aber dennoch gehöre ich zu den dilettanten, die glauben, sich zu allem eine meinung bilden zu können, ja sich aufgefordert fühlen, eine meinung bilden zu müssen. schuster bleib bei deinen leisten, dichter bleib bei deiner poesie.

die ost-cdu habe als einzige deutsche partei ihre vergangenheit und verstrickung in das sed-system aufgearbeitet, sagte der bürgerrechtler rainer eppelmann. mag sein, dass die verstrickung angesprochen wurde, mag sein, das beschlüsse gefasst und texte formuliert worden sind. aber verarbeiten heißt auch, die gezogenen konsequenzen zu verinnerlichen und im reden und handeln zu berücksichtigen. da sehe ich aber vor allem eine instrumentalisierung der cdu-vergangenheit und stelle lediglich eine stilisierung zur opposition und widerstandskämpfern fest. mag sein, es gab oppositionelle in der block-cdu, widerständler und innere emigranten, aber es gab doch eben auch karrieristen, die nicht in die sed eintreten wollten. ich wiederhole: es gibt viele abstufungen zwischen kritik und affirmation; kritik des einen bedeutet ferner nicht affirmation des gegenteils. es gab nicht zwei prozent täter, drei prozent opfer und 95 prozent unschuldige menschen, die versucht haben, ihr leben zu meistern. was heißt täter, was opfer, wo schlagen kompromiss und zugeständnis in schuldhafte verstrickung um? was heißt „schuldhafte verstrickung“? es gibt einen unterschied zwischen der moralischen und der justiziabeln kategorie von „schuld“. die menschen erleben doch eine differenz zwischen ihren lebenserfahrungen in der realitität der ddr und dem bild, das die mitglieder der ost-cdu von ihrer partei, zumindest einige lautstarke und öffentlich wahrgenommene wortführer, und deren verhalten unter den bedingungen der diktatur entwerfen. man muss die vereinfachende polemik beenden und mit einer differenzierung beginnen. wer aufhört, die mitarbeit in der diktatur grundsätzlich zu verdammen, und statt dessen anfängt zu erklären, wo und wie weit er selber teilgenommen hat, leistet einen beitrag zur aufrichtigen aufarbeitung, die allein den heilungsprozess innerhalb dieser gesellschaft einleiten kann. es muss angefangen werden, differenziert über das je eigene schicksal zu sprechen. es ist nicht grundsätzlich schlimm und verdammenswert, geschwiegen zu haben und zugeständnisse gemacht zu haben aus sorge um das eigene fortkommen und das von nahen angehörigen. wer dies eingesteht und eine debatte anregt, gräbt sich nicht das eigene (politische) grab, ganz im gegenteil: er handelt ehrenvoll, erwirbt sich achtung und wird beifall finden.

ich kann es nicht mehr hören: mehr netto vom brutto. was soll das heißen? mehr netto vom brutto oder: wie eine phrase entsteht. mehr tenno vom turbo, mehr breute vom otto, mehr bretter vorm tone …

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geträumt: eine diskussion im kreise eines mathematikers und eines technikers. ich sage: ich bin historiker und, füge ich zögernd und rasch nochmals bedenkend hinzu, dichter. skeptische blicke, reserviertes, ablehnendes grummeln. physik und mathematik sind zweifelsohne notwendig, ergänze ich, aber genauso notwendig, da lasse ich mir nichts einreden, genauso notwendig sind geschichte und poesie. ich führe das näher aus: der halt, den die poesie in existentiellen krisen zu geben vermag. zumindest will ich das näher ausführen. – ein teils schwarz, teils beige gescheckter hahn inmitten einer hühnerschar.

nachmittags besuchte ich die adventsmusik in sankt salvator, viel barockes, etwa der mir bislang unbekannte johann christoph pez mit einem concerto pastorale. während ich zuhörte und zeit hatte, eigenen gedanken nachzuhängen, stellte sich eine fülle von einfällen ein. es ist nicht so, dass man sich einfach an den schreibtisch setzen, den stift zur hand nehmen oder die finger auf die tastatur legen kann und dann erwarten: ideen kommt, ich bin bereit und schreibe mit. freilich mache ich es mir mit der zuspitzung auf dieses dilemma recht einfach. die disziplin besteht tatsächlich darin, sich an den schreibtisch zu setzen und den stift zu ergreifen.

wie gelingt es, sich von den vorherrschenden auffassungen so weit zu emanzipieren, dass man sich nicht von ihnen tyrannisieren lässt? tyrannisieren heißt, mehr interne kosten ihnen gegenüber aufzubringen als man externen nutzen daraus zieht. der markt reguliert sich selbst am besten! – wir brauchen einen starken staat! – manchesterkapitalist! – staatssozialist! – neoliberealer! – salonbolschewist! – dummkopf! – selber! ein ritualisierter schaukampf, bei dem sich die protagonisten worthülsen um die ohren schlagen, ist reine unterhaltung. befriedigende lösungen zu solchen universalen problemen wie der frage nach den gerechten bedingungen der existenzerhaltung gibt es nicht. man kann nur immer wieder anpassungen vornehmen und die ungerechtigkeiten lindern. aber das kann man ohne zweifel tun. man ist kein sozialist, wenn man den kapitalismus kritisiert, so wie er jetzt beschaffen ist; man ist kein sozialist, wenn man die aussage unterstreicht: das system der existenzsicherung muss dem menschen dienen, nicht der mensch dem system. aber man ist auch kein marktradikaler, wenn man ebenso zu bedenken gibt:  es muss alles erwirtschaftet werden. auf dem rücken von malaiischen näherinnen utopische staats- und wirtschaftsmodelle zu diskutieren ist vor allem: heuchelei. — dabei ist ein sozial gedämpfter kapitalismus die bislang beste form. das ist keine affirmation, eine verpflichtung, weiterhin darüber nachzudenken, wie man die gerechtigkeit und ausgeglichenheit der existenzsicherung weiter verbessern kann. ich spreche von existenzsicherung und -erhaltung, um nicht den vereinfachenden begriff „wirtschaft“ zu verwenden.

der kern meiner poetik besteht darin, der welt beizukommen, die mich umgibt.

in gewisser weise bin ich ein authist: ich kann neue ideen nicht ausblenden, ich kann mich nicht konzentrieren auf ein projekt.

vielleicht besteht doch ein zusammenhang zwischen demokratie und kapitalismus. wenn das wesen des kapitalismus darin liegt, durch den zwang zur effizienz die lücken in den rahmenbedingungen zu finden, ist das adäquate politische system dazu sehr sensibel und ebenfalls effizient. effizienz meint dabei, so schnell als irgend möglich politisch gesetzte rahmenbedingungen zu entwickeln, die den bedürfnissen einer mehrheit gerecht werden, die so groß wie möglich ist, und dabei zugleich so wenig minderheiten wie möglich, die noch dazu so klein sind wie möglich, in einem erträglichen maß zu belasten. die beteiligung aller am entscheidungsfindungsprozess, wie es ideal in der demokratie verwirklicht ist, kommt diesem politischen system am nächsten. demokratie gehört nicht notwendigerweise zum kapitalismus, aber sie scheint mir das beste, effektivste korrektiv.

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ich fuhr mit dem rad durch die stadt an einem großen geländewagen aus marienberg und einem leipziger bmw vorbei und sagte mir einmal mehr: wenn ich geld hätte, würde ich mein auto verkaufen – und mit der bahn fahren. immerhin hätte ich dann auch zeit. mir ging die frage durch den kopf, ob mobilität ein öffentliches gut sei. wie kann man die bahn in die fläche und zugleich zu gutem service zwingen? konkurrenz würde sicherlich die freundlichkeit erhöhen, aber ich fürchte, man wird auf die anbindung der provinz verzichten müssen. ein schlagendes argument für alle marienberger geländewagenbesitzer. ich kann mich weder für eine markt- noch für eine staatswirtschaftliche sichtweise entscheiden. ich habe sympathien für beide perspektiven, aber auch vorbehalten. ich kann es nicht beurteilen, letztendlich fehlen mir die einsichten. volks- und betriebswirtschaft müsste man studieren, zumindest kurse besuchen. weniger des geldes als vielmehr der einblicke wegen.

das ist vermutlich ein entscheidendes problem: ich will alles gleichzeitig tun. ich kann mich nicht auf eine angelegenheit, ein projekt beschränken. ungeduld kommt hinzu. da kann man immer nur scheitern. frustration wächst und zerstört jedes aufkeimende selbstvertrauen. (man beachte: ich wechsele bei der bilanzierung ins unpersönliche.) ich bin und bleibe – ein dilettant. das bedeutet freilich auf der andern seite: schau dir doch an, was du alles tust – so schlecht ist es um dich nicht bestellt.

ich überlese die letzten notate und stelle fest: ich versuche mich hinter klugen und scheinbar klugen, scharfsinnigen und scheinbar scharfsinnigen, gelehrten und scheinbar gelehrten einlassungen zu verbergen. mensch, das ist aber ein erzgescheiter!, höre ich den leser denken und mir schwillt die brust; proust, brast, brest (atlantik? polen?) … ist irgendwo von mir die rede. – immer und nie.

mir kommt das alles sehr trivial vor, was ich niederschreibe. und je mehr zuspruch ich von lesern erfahre, desto größer wird die eigene erwartungshaltung.

auf dem flohmarkt die rothaarige frau, die ich bereits zweimal auf dem flur im institut sprach und die ich auch bei der diskussionsrunde im thomas-kirchgemeindesaal sah. vermutlich eine eiferin wider die glaswand. ich fand sie indes auf dem flohmarkt nicht wieder, ich hätte gern mit ihr geplaudert – aber vermutlich hätte sich ohnehin nichts weiteres daraus ergeben. – ich ärgere mich, eine statuette nicht gekauft, ja nicht einmal fotografiert zu haben, die drei (!) menschen bei der kopulation zeigt. das wäre hübsch gewesen für den schreibtisch und geeignet zur irritation weiblicher besucher. – während ich einige fotos machte, schrie mich ein händler in grober weise an, ich dürfe seinen stand nicht fotografieren, er habe etwas dagegen und sei sicherlich nicht der einzige. das foto kannste gleich löschen. mich verstörte die aggressivität. ich war weder schlagfertig (wüsste nicht, dass ich mit ihnen (!) schon einmal schweine gehütet hätte!), noch neugierg genug. ich hätte fragen müssen, warum er dagegen sei. reine neugier. aber mein mangelnder mut dämpfte sie wohl erheblich. abermals ein beleg dafür, dass ich kein journalist bin. möchte mich mal sehen, wenn ich zufällig zeuge bei einem terroranschlag würde, ich wäre doch der erste, der sich versteckte, und der letzte, der etwas sagte. hasenfuss, hasenherz, hasenseele, hasenmut, hasenrückgrat – letzteres parallel, nicht senkrecht zum boden.

in der sz ein kluger artikel über die undifferenzierte vermischung von rechtskonservativen und rechtsextremen: damit werde letztendlich der holocaust verharmlost und der freiheitsraum „nicht de iure aber de facto“ eingeschränkt. außerdem schade sich die demokratische linke damit selbst, denn sie bestätige der konservativen konkurrenz deren alleinvertretungsanspruch auf der rechten seite des politischen spektrums. nichts rechts von der union, so das credo. im gegenteil sei es notwendig, die gründung einer rechtspartei nicht zu behindern, um mittelfristig eine machtperspektive zu haben. andernfalls hätten die unionsparteien sonst einen strukturellen vorteil. – man kann sich freilich fragen, ob es sinnvoll ist, die aufsplitterung des parteiensystems weiter zu befördern.

ohne zweifel ist es eine form von rassismus, angst vor der sogenannten globalisierung zu schüren, indem man prognostiziert, dass die chinesen in naher zukunft produkte gleicher qualität wie hierzulande auf einem ähnlich niedrigen produktionsniveau wie heute herzustellen. die chinesen seien die feinde unseres wohlstandes in der ferne. weil sie dabei mit fleiß und hoher leistungsmoral, mit kapitalistischen und wirtschaftsbürgerlichen werten wie im westen zu werke gehen, seien sie nur um so gefährlicher und heimtückischer. die gelbe gefahr wird an die wand gemalt. wenn eine volkswirtschaft sämtliche produkte in bester qualität zum niedrigsten preis anbieten könne, sei das grundprinzip des freihandels hinfällig, wonach durch unbeschränkten güteraustausch für alle teilnehmenden partner ein mehrwert erwachse. alle übrigen volkswirtschaften würden strukturell eine negative außenhandelsbilanz ihr gegenüber entwickeln. was niemand ausspricht, ist die angst vor einem demokratischen china, denn die demokratie würde das system noch weiter stabilisieren. und dann können wir hier auf der andern seite asiens ohnehin einpacken …

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