walter kempowski, dem man gelegentlich seine konservative haltung vorwirft, spricht in seinem tagebuch von den alteingesessenen abendländern einmal als „den weißen negern europas“. – bei anderswem werden solche formulierungen hervorgehoben und eifrig weiterzitiert, etwa: „allen negern, auch den weißen“.

eine studienstiftlerin schrieb und ich musste an r. h.s vergleich zu ingeborg bachmann denken. die erwartungen, die erwartungen. wenn einem einerseits die ernsthafte möglichkeit einer akademischen karriere zugeschrieben wird, man aber andererseits aus dem akademischen umfeld, das einen umgibt, keine derartige bestätigung bekommt („sie schreiben …nunja: zu feuilletonistisch …“), hilft einem auch nicht die aufforderung, man solle doch nicht so selbstkritisch sein. wie beim lieben oder glauben gibt es auch beim zweifeln (und dessen verneinung) keinen imperativ. heinrich, zweifle nicht!

mir fiel das gedicht der bachmann ein, in dem sie die wendung aus dem wintermärchen aufnimmt, aber wenn man’s überliest, ist man genötigt, das ganze gedicht zu zitieren. :

böhmen liegt am meer

sind hierorts häuser grün, tret ich noch in ein haus.

sind hier die brücken heil, geh ich auf gutem grund.

ist liebesmüh in alle zeit verloren, verlier ich sie hier gern.

bin ich’s nicht, ist es einer, der ist so gut wie ich.

grenzt hier ein wort an mich, so laß ich’s grenzen.

liegt böhmen am meer, glaub ich den meeren wieder.

und glaub ich noch ans meer, so hoffe ich auf land.

bin ich’s, so ist’s ein jeder, der ist soviel wie ich.

ich will nichts mehr für mich. ich will zugrunde gehn.

zugrund – das heißt zum meer, dort find ich böhmen wieder.

zugrund gerichtet, wach ich ruhig auf.

von grund auf weiß ich jetzt, und ich bin unverloren.

kommt her, ihr böhmen alle, seefahrer, hafenhuren und schiffe

unverankert. wollt ihr nicht böhmisch ein, illyrer, veroneser,

und venezianer alle. spielt die komödien, die lachen machen.

und die zum weinen sind. und irrt euch hundertmal,

wie ich mich irrte und proben nie bestand,

doch hab ich sie bestanden, ein um das andre mal.

wie böhmen sie bestand und eines schönen tags

ans meer begnadigt wurde und jetzt am wasser liegt.

ich grenz noch an ein wort und an ein andres land,

ich grenz, wie wenig auch, an alles immer mehr,

ein böhme, ein vagant, der nichts hat, den nichts hält,

begabt nur noch, vom meer, das strittig ist, land meiner wahl zu sehen.

(in: ingeborg bachmann, werke. erster band: gedichte, hörspiele, libretti, übersetzungen, hrsg. von christine koschel/inge von weidenbaum/clemens münster, 3. aufl., münchen/zürich 1984, s. 167f.)

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es gibt situationen, von denen weiß man: hier handelst du nicht glücklich. aber man macht weiter. the show must go on. gib dir keine blöße, gib dir bloß keine blöße. bald ist man fertig, tritt von der bühne und überlegt sich alles noch einmal, woraufhin man sich am liebsten in eine tüte stecken und unauffällig davontragen möchte. die methode des rumpelstilzchens scheint mir zu aggressiv für mich.

es finden sich freilich auch immer stimmen, die loben. das problem ist nur, dass man ein lob nicht recht annehmen kann, das einem ungerechtfertigt erscheint. das leben wird verzwickter, ein einfaches „prima!“ der lehrerin unterm wortgruppendiktat genügt nicht mehr. was soll man glauben, sich selbst, den andern? – „sie schreiben zu feuilletonistisch!“ – „ich kann ihnen nicht recht folgen, sie schreiben sehr widerborstig …“ (kann man noch als kompliment auffassen) – „verf. vermag trotz reicher kenntnisse keine stringente argumentation aufzubauen.“ (sage ich ja: eklektik; john dos passos ist insofern und auch tatsächlich einer meiner großen helden, aber das stand in diesem zusammenhang nicht zur debatte.) – „teilweise sehr kluge, schöpferische ideen, aber was wollen sie eigentlich ausdrücken? lesen sie, lesen sie und werden sie sich darüber klar, was sie sagen wollen.“

eine lösung für das problem: panzer im seelengärtlein wäre die einrichtung einer panzerstraße, hüben und drüben ließe sich dennoch ein üppiger garten gestalten – aber welcher (geister-) panzerfahrer hielte sich an den vorgegebenen pfad?

bei rumpelstilzchen bin ich immer gezwungen an nicolas sarkozy zu denken. szenen einer (präsidenten-) ehe: nicolas im schlafrock, blau, satin, stampft mit dem fuß auf und läuft rot an, solange bis carla zur klampfe greift und ein liedchen trällert, vielleicht mit rauchiger stimme die „ballade von der hannah kasch“.

mittlerweile erfreue ich mich an meiner zuweilen überbordenden, zuweilen abseitigen phantasie – am ende nur ein trick der evolution, das leben erträglich zu machen, ob man sich als qualle durchs meer treiben lässt, als meerkatze durchs geäst hangelt oder als gedachter und tatsächlicher literat durchs menschengewimmel windet.

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vor einigen tagen stellte ich mit verwunderung fest, dass polen erst seit mai 2004 zur eu gehört. mir schien es in diesem moment viel länger. beleg für die künstlichkeit des eisernen vorhangs. das galizien am karpatenabhang ist mir näher als das galizien am atlantikstrand.

ich singe so vor mich hin: … orangenbaumblätter liegen auf dem weg … – das wort „orangenbaumblätter“ geht mir nicht aus dem sinn.

ich zweifelte allmählich daran, ob ich den richtigen weg eingeschlagen hatte. ich begann mich zu fühlen, wie sich vermutlich ein schauspieler oder ein sportler fühlt, der jahrelang vergeblich einem traum nachgejagt ist. er hat zwischen den vorsprechterminen als kellner gearbeitet oder in der amateurliga hart erarbeitete treffer erzielt, und muss nun erkennen, dass er mit seiner begabung und seinem glück das ende der fahnenstange erreicht hat und sein traum nicht in erfüllung gehen wird. nun kann er entweder wie ein erwachsener den tatsachen ins auge sehen und sich eine vernünftigere tätigkeit suchen oder er stellt sich der wahrheit nicht und endet als bitterer, streitsüchtiger und wohl auch bemitleidenswerter mann. (barack obama, hoffnung wagen. gedanken zur rückbesinnung auf den american dream, münchen 2007, s. 13.) — gibt es keine alternative zwischen vernünftiger einsicht und mitleiderregender narretei? „ach, gib’s doch auf“, hat sein schwager hermann lenz geraten. manche dinge kann man nur zum preis der selbstaufgabe aufgeben. folglich muss ich weiter suchen nach einer dritten alternative. ich bin überzeugt davon, dass es immer wenigstens eine dritte altervative gibt, man sieht sie nur gemeinhin nicht in der beschränktheit des eigenen blicks.

max planck auf dem empfang, den er aus anlass der nobelpreisverleihung gibt. er ist gerade ins gespräch vertieft, da hält er inne, weist mit dem zeigefinger in die luft, als verfolge er einen bewegungsablauf. ein quantum – prost.

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mir kam eine ältere frau mit dem rad entgegen, die hatte einen krückstock daran festgemacht: sie konnte offensichtlich nicht mehr so gut laufen, aber sie fuhr noch rad.

den ganzen tag ging mir mccains satz nicht aus dem kopf: american people has spoken, and it has spoken clearly. – wie er auf der bühne in phoenix stand, erschien er wie ein mann, über den ein gewaltiger sturm hinweggegangen ist und der sich verwundert umsieht, als es mit einem mal ganz wind- und auch sonst still ist um ihn her. we are americans, we can do everything.

fabeln, plots und handlungen werden unterschätzt. sie spiegeln den versuch unseres gehirns, all die vielen eindrücke in einen sinnvollen zusammenhang zu bringen. was sich sperrt, wird verändert oder vergessen. die modernität eines erzählenden textes lässt sich daran festmachen, wie sehr er einerseits diesem umstand gerecht wird, aber andererseits lesbar bleibt.

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geträumt, der wahlausgang sei sehr knapp und hänge von einigen wahlmännern ab, die zwar zur abstimmung für den demokraten gezwungen, aber in ihrem herzen republikaner seien, weshalb sich mccain und palin noch hoffnungen machten.

ich überlese diese zeilen und frage mich, welches bild sich jemand anderes von mir macht, der mich nicht kennt. ich sehe nach links und nach rechts und vermute dort irgendwo die projektionen dieser vorstellung.

obama gewinnt die wahl deutlich mit fast 350 wahlmännerstimmen zu nicht ganz 170 für mccain. aber die welt ist die gleiche geblieben. – die fähigkeit der amerikanischen gesellschaft zur selbsterneuerung ist erstaunlich. im modus der demokratie ist eine gesellschaft zuletzt immer in der lage, sich aufzuraffen. das problem liegt vielmehr in der verinnerlichung demokratischer normen. und da stecken die amerikaner, das muss man wohl feststellen, schlussendlich alle andern in die tasche.

und was lernt der sträunenden mitteleuropäer? aus ganz anderen zusammenhängen heraus gilt doch auch für uns: how far we have come. kein pole mehr, der seine heimat gegen einen deutschen verteidigen muss. kein deutscher mehr, der über den rhein geschickt wird mit dem bajonett in der hand: nach paris, nach paris. drei, bald vier generationen hier, die krieg am eigenen leib nicht mehr erfahren haben. ein blick in die arg düstere vergangenheit und ein weiterer in die welt ringsum zeigen auch uns, how far we have come. für uns noch mehr: e pluribus unum. ebensowenig ein geschenk, das vom himmel fiel, vielmehr hart erkämpft aus bitteren, den bittersten erfahrungen. bei allen herausforderungen, denen wir uns ausgesetzt sehen, macht der blick in die vergangenheit bewusst, wie glücklich wir uns schätzen dürfen. und zugleich zeigt er uns, wozu wir imstande sind. zumeist ernüchtert der blick in die geschichte, erst recht, je genauer er ausfällt, zuweilen beflügelt er auch. deshalb ist das bewusstsein für geschichte, für die gewordenheit der gegenwart, kein luxus, sondern eine notwenigkeit.

alle diese geifernden antiamerikanisten, die vom us-imperialismus und dergleichen reden, müssen sich fragen lassen, ob sie lieber in einer russischen oder neuerdings womöglich sogar: chinesischen satrapie leben wollen. – eben.

abends sah ich mir die reden obamas und mccains aus der vergangenen nacht an. die freude in den gesichtern der zuhörer obamas, die sie schön machen, lässt einen an einer allzu düsteren anthropologie zweifeln. wir sind aus krummem holz gemacht und zu allen schandtaten fähig, aber hin und wieder gelingt sie uns doch, eine selbstlose tat. gelegentlich sehen wir von uns selbst ab.

es kann einem aber auch bange werden, wenn man in die gesichter der zuhörer blickt: so hohe erwartungen. da sorgt der kluge mann vor und spricht von einem neuen pflichtgefühl und opfern, die zu bringen sein werden.

man lächelt als alter europäer, der sich lieber auf die lippen beißt, bevor er sagt: wir deutsche, über die selbstbeschreibung der amerikaner als greatest nation on earth. aber an tagen wie diesen staunt man doch und ist geneigt zuzustimmen. wiewohl man weiß, dass es den melting pot nicht gegeben hat und das die kehrseite des fortschrittsglaubens der machbarkeitswahn ist, auf einen tellerwäscher, der aufsteigt, dutzende gescheiterter existenzen kommen. bei aller brillanz und allem scharfsinn, bei all seiner rhethorischen begabung lese man zur ernüchterung nach einer obama-rede saul bellows mann in der schwebe oder arthur millers tod eines handlungsreisenden.

wie übersetzt man obamas yes we can? mit luther: … es soll uns doch gelingen. luther, nicht becher, wohlgemerkt.

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ein konzert im musikinstrumentemuseum. telemann, fasch, vivaldi. eine hinreißende blockflötistin.

um vier uhr nachts meldete der deutschlandfunk, ohio und florida fielen an obama, ein abstand von 170 zu 80 wahlmännerstimmen schien mir auszureichen, dass ich mich mit der gewissheit schlafen legen konnte, der mann mit dem komischen namen werde obsiegen. obsiegen …, ob das gut geht …

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ockhams gesetz. fallbeispiel

gespräch zwischen dem privatdozenten dr. theol. dr. rer. oec. dr. phil. habil. jürgen schubert und dem studenten der geschichtswissenschaft und germanistik tomas mueller. schubert, leiter des kommunalarchivs der universitätsstadt l., schreibt seit jahren an einer geschichte dieser stadt im 17. jahrhundert (1); rezensenten von teilveröffentlichungen und aufsätzen schuberts zu seinem leibthema loben dabei unisono die bestechende multiperspektivität des verfassers, die gemeinhin erklärt wird mit seiner “intimen kenntnis der quellenbestände”, einem ausgeprägten fleiß (”kärrnerarbeit”) und einer außergewöhnlichen historischen analysefähigkeit (”stupende gelehrsamkeit”). mueller hat im kreis seiner kommilitoninnen mehrfach wissen lassen, dass er gerne “auch so was wie der schubert” machen würde, allerdings für die zu zeiten luthers und karls v. blühende bergbauregion im süden des landes; da er jedoch als studentische hilfskraft am lehrstuhl für mittelalterliche geschichte angestellt ist, dessen inhaber johannes lehmann-tscherny sich auf siedlungskunde spezialisiert hat, wird von dem studenten mueller eine studie erwartet, die sich in die publikationsliste seines chefs einfügt und zur fußnotenbeschaffung dienen kann. am rande einer promotionsfeier treffen beide aufeinander, kommen ins gespräch und schubert lädt mueller kurzerhand ein, die unterhaltung bei ihm zuhause fortzusetzen. schubert verteilt auf annähernd zwei metern körpergröße gut zweieinhalb zentner, ist anfang 50; großer kopf, kaum haare, die sehr kurz geschnitten sind (”der könnte auch offizier einer preußischen kompanie aus hinterpommern sein, so 1735, falkenbach (2) über schubert); er bewohnt eine graugewordene gründerzeitvilla, sein arbeitszimmer dehnt sich im gesamten dachgeschoss aus: fluchten von regalen, mit büchern und papieren vollgestopft, etliche tische voller papierstapel, manche sind umgefallen und haben sich auf dem boden schubweise ausgebreitet, eine batterie von zettelkästen, auf einem der tische ein weißes marken-notebook, angesichts dessen kleiner tastatur man sich fragt, wie schubert darauf tippen kann. mueller braucht nicht weiter vorgestellt zu werden (siehe oben). beide sitzen neben einem samowar und trinken tee aus winzigen, mit blauem chinesischen dekor versehenen schalen, vermutlich tatsächlich späte ming-zeit; in schuberts pranken wirkt sie etwas verloren.

– ich heize hier nicht, von unten kommt ja genügend wärme und mehr als 16 grad brauche ich nicht, falls ihnen kühl ist. ach ja, …

schubert springt auf, geht zu einem kleinen schränkchen und öffnet es.

– das ist das ganze geheimnis, wenn man so will. ein setzkasten verschiedener optiken.

– bitte?

– ja, verblüffend einfach, nicht wahr? hat so ein bißchen etwas à la wilhelm hauff, kaltes herz, schatzhauser. nur tausche ich die augen – sie glauben gar nicht, wie offensichtlich damit alles wird. sie schauen sich etwa die eingabe der fleischerzunft an den rat an, 12. april 1609, in der sie sich beschwert, die universität bezöge ihr fleisch von außerhalb und ihnen springt förmlich in die augen, welche passage wichtig ist, welche namen, ich staune noch heute …

– verstehe ich das jetzt richtig: sie sitzen im archiv und – wechseln die augen? fällt das niemandem auf?

– so einfach dürfen sie sich das natürlich nicht vorstellen, junger freund, ich gehe immer mit einem paar morgens aus dem haus, auf dem weg muss man sich gelegentlich etwas konzentrieren – deshalb fahre ich auch seit jahren nicht mehr mit dem rad, einen führerschein habe ich gar nicht erst, da nehme ich den zug, auch wenn man sich dabei ständig ärgert … jedenfalls schaue ich mir an einem tag den quellenbestand, den ich gerade in benutzung habe, mit der einen optik an und am nächsten tag mit einer andern. man muss nur schauen und notieren. der rest ist einfach: sie müssen lediglich noch einen text schreiben, aber bei so vielen eindrücken, die sie gewonnen haben, drängen sich die sätze gewissermaßen auf.

– und wo haben sie ihren, wie nennen sie das überhaupt? ihren augensatz? wo haben sie den denn her? – mir wird schon ganz schwindelig …

– ach, wissen sie, das war so ein glücks- und zufallsfund. ich fand meinen auf dem flohmarkt, ich hatte der ruhe wegen den bitten meiner frau nachgegeben und sie begleitet, das muss so anfang, mitte der 80er jahre gewesen sein. war so eine kiste und ich dachte, schauste mal rein. ich nahm ein auge heraus und klemmte mir’s wie ein monokel ins gesicht. ich hatte mir einen aufsatz über den ochsenhandel im späten 16. jahrhundert mitgenommen, falls meine frau wieder länger brauchte, manchmal trifft das klischee eben doch zu …, den blätterte ich durch und besah ihn mir mit meinem … dritten auge. verblüffend, wie die wichtigen passagen, literatur- und quellenhinweise hervorstachen, namen von personen leuchteten auf wie ein erstes kieselsteinchen zu einer neuen spur. fast so, als wären sie markiert. ich probierte noch eine weile und als der händler nicht viel für die kiste haben wollte, sah nicht einmal hinein, nahm ich sie mit. genau: das war im frühling 1987, da schrieb ich schon seit jahren an meiner diss und kam nicht voran, wollte wohl auch nicht vorankommen – ein halbes jahr später hatte ich ein zweibändiges manuskript fertig, das die fakultät annehmen musste, auch wenn es, nun ja: nicht ganz auf der parteilinie lag. – kurzum: sie müssen eben stöbern.

– und das ist alles, das ganze geheimnis?

– der rest ist fleiß und ausdauer, aber mit diesem … hilfsmittel sind sie sich ja sicher, die quellen sind auf ihrer seite. da kann kommen, wer will und versuchen, ihnen am zeug zu flicken, nichts da. die ganzen theoretiker, denen es im archiv zu staubig ist, und die nun mit foucault und wem auch immer alten wein in neue schläuche gießen wollen, die können sie damit alle getrost in der pfeife rauchen. wenn sie also wollen: ja, das ist das ganze geheimnis.

schubert zwinkert oder: zuckt mit einem auge, und verschließt das schränkchen wieder.

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(1) verlagsankündigung für den ersten band im kommenden jahr: “zwischen reformation und aufklärung. die stadt l. im dreißigjährigen krieg. bd. 1: calvinistensturm, jesuitenhandel und lutherische frömmigkeit”.

(2) matthias falkenbach, militärhistoriker, seit 2007 professor für geschichte der frühen neuzeit universität potsdam; studium der geschichte und philosphie an den universitäten cottbus, l., new york, 1995 phd. university of new york (”prussia in america. studies in united states early military, 1776-1814), habilitation 2004 universität l. (”das landesdefensionswesen in den protestantischen ländern des alten reiches bis zum westfälischen frieden”).

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bis zum frühen morgen saß ich über den entwürfen, die ich an c. w. zu schicken mich gezwungen fühle – so war mein tag zerissen und gedämpft.

es ist warm, aber es sieht sehr kalt aus mit dem dichten nebel, der auf die straßen wallt und fällt, als habe der himmel sein rückgrat verloren.

tatsächlich fand ich den sänger des bezaubernden liedes vom freitag: peter fox, das haus am see. augenzwinkern. – es genügen auch fünf kinder und zwanzig enkel … augenzwinkern.

einen dokumentarfilm drehen über den abriss der einstigen anger-möbelfabrik. vom verschwinden der industrie-kultur sachsens. interviews mit anwohnern und einstigen arbeitern. rückgriff auf meinen ersten versuch einer erzählung, das epos einer kleinindustriellenfamilie im 19. jahrhundert. der anger-schorsch. mit dem bezug auf die geschichte des unternehmens und seiner eigentümer ließe sich ein ganzes stück obererzgebirgischer geschichte schreiben. wo mag wohl das betriebsarchiv sein? – zunächst wären einige aufnahmen der alten fabrik, ihres abrisses und einige erste interviews zu führen, die man später auch ergänzen könnte. – einfach eine kamera nehmen und anfangen, erst einmal festhalten, ehe die fabrik abgerissen und unweigerlich verloren gegangen ist. die wacklige kameraführung etwa als stilelement verwenden: unplugged. interviews in einer leeren, verfallenden fabrikhalle. ein schreibtisch zwischen ruinen wie bei monty pythons flying circus. – bekommt man aber auch nur ein schulterklopfen und einen blumenstrauß für.

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woher soll ich wissen, was schön ist. – fiel mir eben ein, als ich nicht wusste, was ich notieren sollte oder vielmehr: womit ich beginnen sollte.

ich dachte noch einmal über das gespräch mit w. nach, in einer demokratie müsse man es aushalten, dass abweichende meinungen vorgezeigt würden. – zum einen halte ich nach wie vor den rahmen einer immatrikulationsfeier nicht für passend, aber darüber kann man sich streiten und ich hätte dieses spruchband wohl auch ertragen. belustigt hingenommen: das alles gibt es also. zum andern aber, und das ist der entscheidende punkt, ist es unlauter, seine abweichende meinung so zu inszenieren, dass der eindruck entsteht, sie würde von viel mehr teilnehmern am diskurs geteilt. damit wird anderen die eigene meinung aufgezwungen, ohne dass sie es bemerken. wenn man der auffassung ist, an die grimmaische straße gehörte eine kirche und die universität setzte die unterdrückung der christen mit andern mitteln fort, soll man das deutlich sagen können. man muss sich aber seinerseits kritik gefallen lassen. es geht indes nicht an, die vertretung der studierendenschaft, wie man zu ihr auch immer stehen mag, für die eigene position zu vereinnahmen. das ist unehrlich, feige und gewiss nicht demokratisch. freilich hätte man besser daran getan, das spruchband hängen zu lassen und die gelegenheit zur darlegung der eigenen meinung benutzen, darauf hinweisen können, dass man die dort geäußerte nicht teilt. – aber so langsamen, schwerfälligen denkern wie mir fällt das eben erst vierzehn tage später ein. – wie dem auch sei, ich lasse mir von so einem altklugen alt68er nicht erklären, was demokratie ausmacht. tortenwerfen (oder pflastersteine) bestimmt nicht und ebensowenig lautes brüllen oder autoritäres beharren auf dem deutungsmonopol in sachen demokratie, zivilem ungehorsam und antiautoritärem verhalten. das beißt sich die katze doch in den schwanz. der eine irrtum liegt in der annahme, man könne die menschen notfalls mit gewalt zum benutzen ihres eigenen verstandes zwingen – aber wie der benutzt wird, legt man selber fest … der unterschied zwischen dem gelingen sollen (luther) und gelingen müssen (becher). der andere irrtum liegt in der opposition zwischen mir oder uns und den menschen („die leute“). – wenn man dieses operieren in kategorien der politischen theologie so betrachtet, kann man manche aussage von franz-josef strauß durchaus nachvollziehen. (und dann heißt es gleich wieder, wenn man an dem ambivalenten, schillernden bajuwaren ein gutes haar lässt: seht ihr, ein faschist – und stasi-positionen verteidigt er auch …) – auf die meinungsfreiheit.

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es starb der meeresforscher jacques piccard, der in den 60er jahren mit einem spezialuboot in den marianengraben zehntausend meter tief tauchte.

in der faz vom 25. oktober ein bericht über einen jungen polnischen autor, der sich im juli letzten jahres das leben nahm. er habe als großes talent und stimme seiner generation gegolten. „die polnischen jugendlichen stecken fest und kommen nicht weiter.“ ein befund, der auch für diejenigen zwischen elbe und oder gelten kann. – „manchmal beschloss nahacz, einfach alle werke eines bestimmten autors zu lesen, dann hatte er keine zeit für nebensächliches wie den alltag.“ so wünscht man sich das: die tür schließen und einen autor komplett lesen. und wenn man es dann nicht mehr aushält, jemanden, eine frau, anrufen können und sagen: ich halte’s grade nicht mehr aus – kann ich vorbeikommen? freilich: wen sollte ich denn anrufen? – „das einzige, was ihn wirklich am leben hielt, war seine große liebe ania – und die literatur.“ die große liebe, ein erbteil der romantik, an dem man nicht verzweifeln sollte. letzten endes geht es darum, die kontingenzerfahrung zu verarbeiten. nichts ist notwendig aus sich heraus, jede tat und zeile ist kontingent. aber, richtig besehen, müssen daraus nicht notwendigerweise lethargie, zynismus und verzweiflung entstehen. die notwendigkeit zu handeln und in einer ganz bestimmten weise zu handeln, kann auch durch mich bestimmt werden.

am nachmittag besah ich mir eine karte, die den pazifik zeigte. ich fand die marquesas-inseln und war erstaunt, wie nah sie dem äquatur sind, ich hielt die natur dort immer für sehr schroff und rauh, der antarktis näher als den tropen. – vor der küste chiles die einsame robinson-crusoe-insel. abends eine dokumentation über das geschwader des grafen spee, das 1914 bei den falklandinseln auf eine reihe britischer schiffe stieß und der flottille schwere verluste beibrachte. wichtig: der kreuzer dresden konnte den nachstellungen der briten zunächst entkommen und wurde später vor der robinson-crusoe-insel versenkt. gelegenheit über den zufall nachzudenken. aber es ist wohl so, dass man bei einer genügend großen datenmenge immer zusammenhänge findet, die auf tiefere schließen lassen, ohne dass es sie gäbe. siehe nine eleven. das foucaultsche pendel.

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