cfp: ein leserbrief zu dem kindermord in leipzig. früher war alles besser und sicherer, man konnte die kinder draußen unbeaufsichtig spielen lassen, doofe freiheit und so weiter. erfreulich ein abwägender, ablehnender beitrag zur forderung, pädophile mörder mit dem tod zu bestrafen. aber wenn man einspruch erhebt gegen die devise rübe ab!, wird man gleich mit aufs schafott gestellt. und dennoch gibt es sie noch, die kämpfer für die aufklärung.

in der dämmerung ein flämischer himmel über dem erzgebirge.

eine mail von s., wie weiter und so fort. – händeringend eine frau. zum leben, gefahrenbestehen, kinderzeugen, zum lesendenkenschreiben – aber woher nehmen?

Veröffentlicht unter Uncategorized | Verschlagwortet mit | Schreib einen Kommentar

eine einschätzung wie es mir geht, kann ich nicht abgeben, denn das genaue gegenteil träfe auch immer zu – und genauso alle abstufungen dazwischen.

es ist alles so mühsam und dauert so lange. wenn man sich abends eine stunde hinsetzt oder von einer längeren autofahrt kommt und rasch notiert, was einem durch den kopf gegangen ist, was am nächsten tag in ein-zwei stunden in der breite auszuführen ist, so denkt man sich das im leichtsinn seiner jahre (das ist auch so eine phrase – aber naja, wie dem auch sei …), und sich dann am nächsten tag tatsächlich hinsetzt, stellt man fest, wieviel zeit dieses und jene kleine unternehmen kostet – und von den hauptgeschäften hat man noch keinen federstrich getan.

ich lief schnellen schrittes durch die stadt und es begann zu regnen. ich streife über die dinge in der landschaft, auf spitzen füßen und behutsam. mit vorsicht, bedacht und der aufmerksamkeit kurz vorm einschlafen. aus tausend eindrücken entsteht vielleicht eine notiz, aber von dem dutzend eindrücken, die mich am tage berühren, erinnere ich mich abends an zwei-drei. von tausend notaten gelingen vielleicht drei, die bestand haben. schreibt so ungefähr benn. für drei notate ein leben lang ein paar millionen eindrücke sammeln? ist das ein bißchen schief und krumm? ineffizient? die existenz riskieren für die existenz der poesie. schreibt kunze.

nachts badete ich und las dabei in einem gedichtband von hanns cibulka herum. anschließend verbrachte ich noch einige zeit mit notizen im bett und löschte erst ganz erstaunt um vier uhr das licht.

Veröffentlicht unter Uncategorized | Schreib einen Kommentar

ich fuhr durch den park und verspürte einmal mehr das bedürfnis nach einer frau und gefährtin für die lebensgefährdungen, nicht zum selbstzweck freilich; ich wünsche mir eine großfamilie. großfamilie, poeta docta, country first – kauderwelsch. – und die frau? irgendwie passend, betonung auf dem u, wenn man so will: jung, klug, hübsch, brünett, schmalbrüstig, breithüftig, grünäugig (kein muss), lustig, listig – darf man das so formulieren? – da macht sich einer ein x für ein u vor …

country first! ist irreführend: als gelte es nur in krisenzeiten für die gemeinschaft tätig zu sein und in gewöhnlichen zeiten kann man seinen eigenen, selbstsüchtigen dingen nachgehen. auch in gewöhnlichen zeiten, freunde. – neoliberales, rechtskonservatives arschloch! – ganz davon abgesehen: was sind schon gewöhnliche zeiten. immer country first! und immer den eigenen dingen nachgehen, für sich sein ganz und ganz für die andern. es muss doch ein leben zu führen sein, ohne schaden an seiner seele zu leiden, to put three things first: family, poetry, community. es muss möglich sein.

g. t. gestand, sich gelegentlich in ein kaufhaus-café zu setzen und leute wie mich zu beobachten, die nichts finden, herumirren und nur immer denken: bombe, bombe, eine große bombe werfen! die odyssee müsste heute in einem großeinkaufsmarkt irgendwo auf der grünen wiese spielen. sage mir, muse, die taten des vielgewanderten mannes, welcher so weit geirrt durch die heiligen hallen des konsums, vieler menschen unrast gesehn und sitten erfahrn hat, und auf dem meere der warenströme viel leiden erduldet, seine seele zu retten und seinen freunden die zukunft …

überall wird man aufgehalten, werden einem gespräche aufgedrängt, aber eigentlich interessiert es einen gar nicht, insbesondere weil man auf glühenden kohlen sitzt und nur endlich einmal zwei stunden für sich haben möchte. es führte kein weg dahin. vom städtischen kaufhaus in die beethovenstraße, im copyshop verzögerten sich fünf minuten auf eine halbe stunde, zurück in die universitätsstraße, stadtgeschichtliches museum, zwischendurch in der theologische zweigstelle der bibliothek. beim verein für stadtgeschichte hatte ich beständig den eindruck, geprüft und skeptisch besehen zu werden.

auf dem weg ins erzgebirge schien mir wieder meine lage so aussichts- und hoffnungslos nicht. es gibt immer möglichkeiten. und wenn man etwas wirklich will, muss es doch auch zu erreichen sein. scheitern heißt ja lediglich: nicht ganz gelingen – und nicht ganz gelungen ist doch viel gewonnen. family, poetry, community.

irgendwann werde ich noch einmal arabisch lernen müssen. yallah habibi …

ich schreibe alles auf, was mir unter die hände gerät und irgendwie nützlich, buchenswert erscheint. – im umschlagtext von hermann lenzens buch der tintenfisch in der garage: [es zeigt sich] dass die poetisierung des daseins nicht genügt und immer weniger gelingt. – hat h. schon alles erzählt? die poetisierung des daseins, tiefe gewinnen. tiefe gewinnen, ohne jedoch ein loch ins boot zu schlagen.

mir scheint es, als notierte ich wiederholt meine gedanken; mir kommt etwas in den sinn und ich halte es für buchenswert. wenn ich dann längere passagen überlese, stelle ich wiederholungen oder wenigstens starke ähnlichkeiten fest. und zugleich übertrage ich die texte von einem medium ins andere, ich schöpfe wasser von dem einen bottich in den andern und schütte es dabei durch immer feinere siebe und filter – reines wasser: wie es wohl schmeckt und ob es im dunkeln wohl bläulich leuchtet? – pechblende ist in der tat ein gegeigneter name für diese anfänglichen notizen.

Veröffentlicht unter Uncategorized | Kommentare deaktiviert für

geträumt: günter grass bekommt den nobelpreis und dazu ein exemplar der blechtrommel, in der nobelpreis-ausgabe mit weißem einband und goldenen lettern. er erinnert sich, wie er ein solches buch in den fünfziger jahren in händen hielt, als er mit der blechtrommel begann. er schlägt das buch auf und liest den ersten satz: und suchend unsern opa. er wundert sich darüber, wie sein satz nun nach so vielen jahren in ein buch der nobelpreis-reihe gelangte. last fällt von ihm ab.

ich liege im bett, der wecker klingelt alle acht minuten und ich zähle halbe stunden ab, weil ich mir erst tüchtig erscheine, wenn ich nicht mehr als sechs stunden täglich schlafe (kleine nickerchen nicht mitgezählt). ich quäle mich nach schrecklich langer zeit schließlich aus dem bett, bin einigermaßen munter und habe auch nur reichlich acht stunden geschlafen. sollten diese zwei stunden täglich über wohl und wehe entscheiden? das diktat, wenig zu schlafen und viel zu leisten. das chronische schlafdefizit der spätmodernen dienstleistungsgesellschaft, die fahrigkeit, die reizbarkeit, die eingebildeten spinnenweben vor den augen, die die um- und aussicht verschleiern. man kann sich dem nur mit starkem selbstbewusstsein entziehen, und das fehlt mir, fehlt mir ganz und gar.

im baum vor meinem fenster springt eine elster munter herum. frau elster, der zweifel; herr fuchs der glaube?

kann man gedichte auch am computer schreiben? bald wird es die regel und feder-, kugelschreiber- und bleistiftgedichte werden die ausnahme sein. aber man schreibt sie ja weder auf papier noch auf dem bildschirm, und wenn man sie in rinden oder mauerwerk einkratzte, man schreibt sie immer im kopf. nicht wörter, gedanken, wie rühmkorf meint, bilden ein gedicht.

hanns cibulka ist 2004 gestorben, wie ich eben nachlas. es stellte sich heraus, dass er gar nicht so ein partei- und regimenaher autor war, wie anfangs angenommen. man nimmt immer an, wenn einer in der ddr publiziert hat, er sei ein partei- und regimenaher autor gewesen. als vorbilder werden erhart kästner, hans georg jünger und ezra pound genannt. in seiner erzählung „swantow“ thematisiere er als einer der ersten die umwelt- und ökologieproblematik in der ddr und sei damit zu einer art gründungsvater der ostdeutschen grünen geworden – das macht ihn nur sympathischer. zunehmend nahm er in den achtziger jahren kontakt mit kirchlichen kreisen auf. – nach dem krieg begann er eine bibliotheksausbildung, wie etwa günter de bruyn, und ging nach gotha, wo er bis 1985 in der stadt- und kreisbibliothek tätig blieb.

auf der suche nach einem federmäppchen lief ich durch die kaufhäuser leipzigs und war erstaunt darüber, wie viele menschen in den kleinen, integrierten cafés saßen, kuchen aßen und sich umschauten. es ist mir völlig unverständlich, wie man sich in ein kaufhaus setzen und kuchen essen kann. ich begreife es nicht. es könnte sein, dass die menschheit reicher wird, wenn sie ärmer wird, und gewinnt, indem sie verliert. ich arbeite nun auch nicht von früh bis spät, ganz und gar nicht, aber es ist mir völlig zuwider, mich etwa in ein kaufhaus-café zu setzen und kuchen zu essen. überall konsúm. – mein federmäppchen fand ich natürlich nicht. ich lief schnell zum ausgang und dachte nur: eine bombe, eine große bombe. ich kann den zorn junger muslime verstehen.

in einem antiquariat fragte ich nach büchern von hermann lenz, der antiquar fragte nach: hermann? – ja. – das sei auch der bessere, müsse man ja mal sagen dürfen. – genau. — es gab dann jedoch vom besseren, wie es eben so geht, kein buch.

am sonntag hatte ich die probepackung jasmintee, die mir t. vor jahr und tag mitgebracht hatte, beim umräumen des schreibtischs wiedergefunden und endlich aufgegossen. der geschmack war … adelnd und asketisch. so fand ich mich heute in einem teegeschäft ein, wo ich die bekanntschaft mit t.s mutter machte und kaufte ein päckchen tee. wer jasmintee trinke, der fresse auch kleine kinder, hatte sie schon bei meiner bestellung der probepackung seinerzeit geäußert.

im radio ein beitrag über frauen, feminismus und islam: differenz bedeutet reichtum. – zuvor wurde ein buch der berliner akademie besprochen: was ist der mensch. – joseph brodsky formulierte in seiner nobelpreis-rede ungefähr folgendes: wenn die sprache diejenige entscheidende fähigkeit ist, die den menschen vom tier unterscheidet und die poesie zugleich die höchste form der sprache, dann ist der zweck des menschen die poesie.

eben stoße ich auf ein max-weber-zitat, minuten, nachdem ich durch die neuerworbene marxausgabe geblättert habe: der idealtypus des kapitalistischen unternehmers hat nichts vom reichtum für seine person.

Veröffentlicht unter Uncategorized | Schreib einen Kommentar

beim späten erwachen höre ich den sound von hermann lenz. aber das wusste eugen ja alles. er lief unter dem buntgewordenen bergahorn und beobachtete die jungen leute, die auf decken im park lagen und nicht wahrhaben wollten, dass der sommer vorbei war.

lenz: er stand spät auf, was ihm nicht recht war. vielleicht wäre es ihm möglich gewesen, dies zu ändern, doch hätte er dafür ein willensstarker mensch sein müssen, und als ein solcher fühlte er sich nicht. und ob es sich lohnte, das war auch nicht sicher; denn lohnen tat sich eine solche charakteränderung nur, wenn ihm danach mehr eingefallen wäre als zuvor, da er sich ausgeschlafen hatte. ausschlafen war für nachdenken und heraufholen von vergangenem aus der erinnerung zweifellos günstiger.

vormittags versuchte ich, ein paar textdateien zusammenzufügen, was mich grosso modo zwei stunden kostete. dabei funktionierte nur ein teil. seltsame, unverständliche meldungen vom rechner. zum verzweifeln. ich bin sehr ärgerlich. nichts, nichts geschafft. und dabei denkt man sich: setze ich mich zwei drei stunden hin oder stelle mich vors stehpult und schreibe. sit down and start up. von wegen! pustekuchen! am liebsten würde ich irgendetwas zerschlagen oder jemanden anschreien.

die kastanienmoniermotte hat wieder zugeschlagen: überall sind die blätter der herrlichen bäume braun und welk vor der zeit. ihr heroismus im tapferen weiterwachsen und erblühen jedes frühjahr macht ihre herrlichkeit erst so recht aus. man möchte helfen, aber man kann nicht. bedauernswerte bäume. (zum heroismus in unserer zeit, heroism in our time, vgl. viktor klemperers vorwort zur lti. notizbuch eines philologen …)

vor einem versicherungsbüro der kalauer: ihre hundertprozentige air-folgsgarantie. man seufzt und nimmt es hin wie man so vieles hinnehmen muss.

in der riemannstraße kam mir in höhe der kirche sankt petri eine korpulente frau entgegen, die ihren kopf leicht angewinkelt hatte und ihn in einem fort mit hoher frequenz, aber kleiner amplitude bewegte. – das alles gibt es also. man nimmt es wahr und notiert es, aber man notiert doch nur einen bruchteil. wieviel wird einem bewusst von dem, was man bei einer solchen begegnung empfindet. es ist nicht mitleid, es ist nicht achtung allein und nicht neid. sie meistern alle ihr leben, sie versuchen es jeden tag – und du? – aber auch das ist wohl nur ein fehlerhafter eindruck.

das taxieren von frauen nach aspekten körperlicher merkmale und reize muss man wohl unumwunden als sexismus bezeichnen. ich bekenne folglich: ja; ich bin ein sexist. trotzdem, man beobachtet und taxiert wider besseren wissens. das wird man nicht los. die vernunft hat keinen zugriff auf das reptilienhirn. aus krummem holz geschnitzt, es bleibet dabei. aber die hürde liegt anderswo: bei dieser beurteilung stehenzubleiben und laut darüber zu sprechen. guck mal, die hat aber … – es wäre heuchelei, solche gedanken, solche inneren monologe zu leugnen. — die kleine betrachtung zum tagesausklang, könnte man als überschrift wählen, oder: wie sich einer die welt zurechtreimt.

vor einiger zeit klingelte mich j. v. in der nürnberger straße an, während sie an mir vorüberfuhr. merkwürdig. ob ihr wohl irgendjemand glaubhaft versichert hat, ich sei gar kein neoliberales, rechtskonservatives schwein? — nur der wahre messias verleugnet sich. also gut: ich bin der messias. – seht ihr, er ist es …

abends geriet ich auf dem rückweg vom städtischen kaufhaus nach plagwitz in einen heftigen regen, der sich später zu einem handfesten gewitter auswuchs. wie schon häufiger beobachtet, wird man ab einem gewissen grad nicht mehr nasser, ja es war sogar angenehm, durch den regen zu fahren. wenn man einmal von der nässe absieht. es regnete so stark, dass ich nichts mehr recht erkennen konnte, der regen lief mir in die augen und lief mir in den mund; dabei bemerkte ich, wie süss und weich eigentlich regenwasser schmeckt.

günter grass widmete der fotografin maria rama, die nun die zentrale rolle im neuen buch zugewiesen bekommen hat, bereits ein gedicht, in dem es heißt: jetzt bin ich fünfundvierzig und staune noch immer. – das gedicht wächst am staunen entlang (kunze). – staunen ist der beginn der ethnografie.

hermann lenzens buch „freunde“ beendet, ein begnadeter erzähler, stimmungen nach art einer streichersonate kann er meisterlich hervorbringen; was erzählt wird, tritt fast in den hintergrund, wie er erzählt, ist völlig ausreichender grund, seine bücher zu lesen. – es will mir scheinen, als zöge mich jeder autor auf seine seite. davon kannst du lernen und dir das eine und andere abschauen. als ich vorhin dieses bedachte, fiel mir alfred döblin als gegenbeispiel ein, aber wenn ich es nochmals bedenke, trifft es nicht zu, selbst döblins „wallenstein“ und „berge, meere und giganten“ – sie haben ihren reiz und üben ihn auf mich aus. wo ist das eigene? und wenn ich ein eklektiker und epigone wäre? vermutlich könnte man auch damit leben und sein auskommen haben. vermutlich darf ich ohnehin auf nichts weiteres hoffen. – wohlan, wohlan.

gelegentlich erinnere ich mich, wenn ich mit dem rad an einer ampelkreuzung halten muss, an w. r.s wort über den autor, als ich ihr berichtete, ich hätte im zug hinauf ins erzgebirge links und rechts zum fenster hinausgesehen und fortlaufend notiert, was ich beobachtete – in der landschaft und in mir. die leute hätten bestimmt gedacht: aha, ein autor auf recherche! – während dieser gelegentlichen erinnerungen erscheint mir die bezeichnung autor am meisten auf mich zu passen; sie ist kühler, technischer, weniger romantisch aufgeladen und doch eigentümlich leuchtend. kein kerzenschimmer, mehr eine quecksilberdampflampe, xenonlicht, das glimmen radioaktiven gesteins. pechblende eben – diese richtung.

im bett begann ich noch, mir fielen schon die augen zu, ein kleines tagebuchbändchen von hanns cibulka zu lesen, das ich erst am samstag auf dem flohmarkt gekauft hatte. es roch stark nach bissigem rauch, als hätte es in einer räucherei gehangen. ein kleines bändchen, knapp 130 seiten. während ich las, musste ich mich in der geschwindigkeit zügeln. man feilt an jedem wort und denkt sich etwas an der komposition, ist vielleicht stolz auf diese oder jene gestaltungsidee in der komposition eines satzes oder des gesamten texts – und ein schnöder leser, dem die augen fast zufallen, geht darüber hinweg. so ein buch ist immer ein stück seelengärtlein des verfassers. und wer sich sorgfalt und rücksicht auf den eigenen seelengarten wünscht, muss sie wohl auch in fremden pflegen. also langsam lesen. – er schreibt über die differenz in der wahrnehmung zwischen seiner ersten homerlektüre während seiner stationierung als fernmeldesoldat auf sizilien und seiner zweiten in der gegenwart der siebziger jahre. – wie wenig erfasse ich von den texten, die ich lese, mir kommt es immer so vor, als ginge ich darüber hinweg wie mit einem hölzernen hakenpflug, ritzte etwas den boden, aber die tiefe, die tiefe. – ich dachte daran, wie dieses büchlein dereinst in der bibliothek stehen und ich dort arbeiten würde. lesen, denken, schreiben. beruhigt und voll tatendrang schlief ich ein.

Veröffentlicht unter Uncategorized | Schreib einen Kommentar

nachts flog eine langbeinige schnake durchs geöffnete fenster, angelockt vom schein der nachttischlampe – sie schwirrte umher und wurde erschlagen, nicht dass sie mich sticht, während ich schlafe. alptraumhafte bilder tauchten vor meinem auge auf, als ich sie erblickte. – moral: manchmal ist das licht in der finsternis kein leuchtfeuer der hoffnung, sondern der schlund der hölle.

auf u.s kalender ein kant-zitat: es könnte sein, dass die menschheit reicher wird, wenn sie ärmer wird, und gewinnt, indem sie verliert. – dem ist nichts anzufügen. eine einfache dialektik, aber ungemein schillernd. es ist die einzige möglichkeit, die bleibt. w. erzählte beim essen, als ich ihr von dem kantzitat berichtete, vom so genannten schlesischen hungertuch: armut schafft demut, demut schafft fleiß, fleiß schafft reichtum, reichtum schafft übermut, übermut schafft krieg, krieg schafft armut. man will hoffen, dass es nicht krieg und gewalt braucht, um zu erkennen, dass die einzige überlebenschance in der reduktion der ansprüche und des wohlstands besteht, womit, nach kant, vermutlich eine innere bereicherung des menschen einhergeht. freilich: leicht gesprochen, wenn man auf daunen gebettet liegt.

vor dem evangelischen schulzentrum lag auf der riemannstraße ein igel, dem fast gänzlich eine dimension entzogen wurde.

in der deutschen bücherei ging eine attraktive junge frau durch den hauptgang des lesesaals, ein benutzer jenseits der 70 sah auf und ihr nach, bis sie aus seinem blickfeld verschwand – und ich lächelte. who watches the watchers.

abends lief ich durch die wohnung, u. war nicht da, und stellte mir die wunschexistenz vor, abgesichert durch einen simplen halbtags-bürojob. aber vermutlich stellt man sich das viel zu einfach vor. außerdem hätte sich dann der traum von der großfamilie erst recht erledigt. hat er ja offensichtlich ohnehin …

Veröffentlicht unter Uncategorized | Kommentare deaktiviert für

beendet grass: die box. – es scheint tatsächlich so zu sein, als schwirrten textideen durch den äther und suchten sich einen aufmerksamen lauscher, denn sowohl der einfall, ein dichter könne sich einen zeppelin, einen cargo-lifter, zulegen und damit standpunktlos vom wind getrieben über die erde fliegen, als auch der einfall, eine geschichte aus der kakophonie einer verwandten-zusammenkunft zu entwickeln, hatte sich auch in meinen ganglien festgesetzt. zu spät. aber vermutlich habe ich ohnehin sowohl den einen wie den andern einfall aus vergangener grass-lektüre gewonnen, was mir nur jetzt nicht so scheint. das ist die gleiche schiefe optik wie der vergleich von st. pauli zu leipzig mit den großen gotischen kathedralen europas, insofern habe ich mich in der stadt schon assimiliert … — er kann erzählen, unwillkürlich gerät man in den sog, auch wenn man gleich anfangs mürrisch wird und sich fragt: was will ich mit den schnurren aus der großfamilie grass? das eigene leben und schafffen gespiegelt und gefiltert in den erzählungen der kinder auszubreiten, scheint mir wenige möglichkeiten zum bedenken und räsonieren zu bieten. sein zwiebelbuch gefiel mir besser.

in einem elektronikmarkt stand ich vor einer vitrine voller digialkameras; ich hatte genügend geld dabei, um eine zu erwerben, aber ich fühlte mich so unter zwang, unverzüglich den kauf zu vollziehen, dass ich beinahe panisch den markt wieder verließ. der konsum geht mir nicht allein auf die nerven, ich frage mich, zu welchem ende diese lebensweise führen wird. die marktwirtschaft hat längst eine religiöse dimension angenommen mit tempeln und ritualen. ohne menschenopfer gibt es keine ernte, ohne konsum bricht die binnennachfrage zusammen, hunger und elend halten einzug. ich plädiere ja nicht gerade für den kommunismus, wahrscheinlich bin ich nur unbegründetermaßen kulturpessimistisch. früher wurde wenigstens noch klavier gespielt und in die oper gegangen … – man kann an den hölderlin-vers denken über das rettende in der gefahr, aber es schwant einem dennoch nichts gutes. consum-watching wäre das gebot der stunde: brauchst du das wirklich?

meine figuren sind erzgebirgler wie sie sein könnten, nicht erzgebirgler, wie sie es sind. menschen, wie sie sein könnten. sind sie unbedeutend, weil sie deshalb nicht realistisch sind? was heißt schon realistisch. verdichtet und zugespitzt wird das leben der gerlinde schaarschmidt erst lesbar, früher fdj-sekretärin, heute filialleiterin in einem diskounter, ihr mann wochentags auf montage in bayern, der sohn diplomingenieur bei einem lokalen autozulieferer, die tochter juristin in der landesverwaltung, ein enkel, benannt nach dem großvater, der im schlemaer uranbergbau seine lunge ruinierte … die ganze welt im erzgebirge darstellen: die welt in der provinz.

ein bericht über ein autobiographisches buch marten t’harts und ein gespräch mit dem autor. jeden tag viel schreiben. besonders beeindruckend, schon wegen der disziplin, aber vermutlich wird das ritual weitaus weniger streng gehandhabt, als man es sich vorstellt: nach jeder mahlzeit wird ein kapitel der bibel gelesen, so dass man den text in einem leben vielleicht zehn oder fünfzehn mal hört und zu differenzierte auslegung in der lage sei.

Veröffentlicht unter Uncategorized | Verschlagwortet mit | Kommentare deaktiviert für

anfänge. omeg-a-lpha

aus den wurzeln einer obererzgebirgischen scharrhuhnfichte schurrte eine obererzgebirgische fichtenscharrhenne ein silbernes ei. jemand kam vorüber, nahm’s, schlug’s in einen tiegel und erkannte sich im spiegelbild. vielleicht erkannte ich mich, vielleicht beginnt es so.

ich kann mich in alles hineindenken als sei ich es selber, in die fichte, die wurzel, das erdreich, die henne, das ei – aber keiner wagt’s und denkt sich in mich hinein, denn schon mir fehlt der mut dazu. als wurzel von mir als fichte schlummere ich in mir als erdreich, bis ich mir mich als scharrhuhnhenne wegscharre und mich in mir an meinen füßen als silberei finde. vielleicht ist das gar keine fichte, sondern eine föhre, gar keine henne, sondern eine krähe, keine wurzel, sondern geäst und kein silbernes ei, sondern ein goldener spiegel. oder ein fell, das im quellbach hängt und die goldkörnchen fängt oder ein kiesel, der nur im wasser funkelt, oder ein bernstein am meer, der das licht bricht.

der kiesel und der spiegel, die hatten einmal streit. der kiesel schlug in den spiegel ein loch, alles war zu sehen, nur ich erkannte mich nicht, sah in das loch hinein und fiel hindurch, fiel an mir selbst vorbei, am vater vorbei und am großvater und war verschwunden. der kiesel zersplitterte den spiegel und ich erkannte mich in den bruchstücken, in diesem meine nase, in jenem meine ohren, hier meine augen, dort meine hand. aber wie ich die einzelnen teile auch zusammenfügte, ich bekam kein ganzes bild zustande. wie wenig man von sich in einem spiegel sieht. aus großer ferne allenfalls füllte ich einen von den splittern und konnte mich erkennen, soviel man eben aus so großer ferne sieht. das konnte irgendwer sein, dieser und jener, der da und dort der, tomas, wolf und kaspar. der spiegel zertrümmerte den kieselstein in tausende funkelnder kiesellein; jedes brach das licht und sah ich hindurch, erblickte ich die welt dahinter nicht einmal, sondern zehn- und hundertmal. sah jedoch die welt hindurch, sah sie mich nicht einmal, sondern zehn- und hundertmal, sah ich in einen spiegelsplitter durch einen kieselsplitter, sah ich mich mit meiner welt hinter mir zehn- und hundertmal. wer keinen kiesel hat, kann das nicht verstehen, wer keinen kiesel hat, der kann sich nicht versehen.

vielleicht gibt es gar nichts zu finden, nirgendwo, nicht in den wurzeln der fichte, nicht in ihren ästen, nicht im bach und nicht im meer, kein gold, kein silber, keinen bernstein und nicht einmal einen kiesel. vielleicht gibt es nichts zu finden und man gräbt sich vergebens in den berg hinein, gräbt und gräbt durch schicht und schicht, an sich selbst vorbei, am vater und großvater vorbei immer weiter hinab und hinein, gräbt und grübelt und fällt plötzlich durchs sieb, fällt hierhin und dahin zerstreut und muss sich zusammennehmen hier und da und dort. an jedem neuen ort ein andres neues wort, hier heiß ich mueller, lehmann da und schulze heiß ich dort.

***

all die vielen steine, vergeblich ausgewühlt oder nicht, jeder behaftet mit mühen und erlebnissen. den einen beim hinaustragen dreimal verloren, den zweiten nur mit stangen und rollen aus dem stollen bekommen und dabei selbst fast erquetscht worden, beim zwölften wurde der schlägel stumpf, beim dreihundertsiebenundvierzigsten war eine woche um, neunhundertdreiundachtzig, zweitausendsiebenhundertfünfundzwanzig, neunzehntausenddreihundertdreiundsiebzig, sechsunddreißigtausendfünfhunderteins … wer in die tiefe dringt, der strebt auch in die höhe; und wenn man schon nichts findet, muss man sich wenigstens beschäftigen. man baut einen turm, eine kirche aus all den vielen steinen. man baut ein haus, stellt einen tisch hinein, legt ein blatt papier darauf und greift zum stift, zur feder, zur gänsefeder, zum gänsekiel.

vielleicht ganz leicht, federleicht, hühnerfederleicht; vielleicht ganz schwer. vielleicht gansschwer, sofern eine gans schwer ist. aber ihre federn machen sie leicht, gänsefederleicht und lassen sie fliegen. vielleicht ist gar nichts anders, sondern tatsächlich so.

so viele kreise öffnen sich und kaum einer, der sich schließt im leben. an einem hängt ein andrer und immer so fort, aber die ersten und die letzten verlieren sich im nebeldunst. wer hineingreift, verheddert und verfängt sich nicht selten selber, ein gefangener seiner selbst. vielleicht beginnt es so. vielleicht beginnt es anders.

***

alle geschichten in abzug gebracht, die ich erzählt bekomme und erzähle, alles geschichtete, bleibt wenig, das der rede wert wäre, ein menschlein wie jedes andere, das sich sorgt, das angst, hunger und durst hat, das nicht sterben und keine schmerzen erleiden will, aber freude, befriedigung und macht erfahren möchte. ich hülle mich in diese geschichten wie andere menschlein in ihre hemden, hosen und mäntel, ja ich verberge mich darin vor den ungeheuern und unannehmlichkeiten der welt wie in einem haus. schicht um schicht wird gelegt und je mehr ich preiszugeben scheine, desto mehr verschleiere ich. das ist alles, die innerste wahrheit, mehr gibt es nicht zu sagen … mehr gäbe es nicht zu sagen – wenn nicht die geschichten wären.

***

ein stein schlug gegen die fensterscheibe. sie riss, aber sie zersplitterte nicht. wo der stein aufgeschlagen war, hatte sich ein weißer, blinder fleck gebildet, dort sah man nichts mehr. an dieser stelle kreuzten sich alle risse, die wie ein spinnennetz die ganze frontscheibe durchzogen. wer hindurch sah, verfing sich. tomas mueller hielt an und stieg aus. es dämmerte, im tal war’s dunkel, nur die berge gleißten noch im abendsonnenschein. tomas mueller versuchte um- und heimzukehren, aber es gelang ihm nicht, niemand kannte ihn mehr, als hätte es ihn nie gegeben. nur er wusste noch, dass es ihn gab. er war gerade erst aufgebrochen und trotzdem war die rückkehr schon nicht mehr möglich. der stein hatte auf der autoscheibe den punkt unmöglicher umkehr bezeichnet. tomas mueller verbarg sein gesicht in seinen händen. wer keine familie besitzt und keine vorfahren hat, wer keine herkunft mehr hat und geschichtslos gesichtsarm in diese welt geworfen wurde, muss sich eine herkunft imaginieren und behaupten, sie sei seine herkunft.

***

„wo kommst du eigentlich her?“

tomas mueller hatte berauscht aufs meer gesehen und wandte sich erschrocken um. manchmal ist mir tomas mueller so nah, dass es keinen unterschied zu geben scheint und es heißen kann: ich. manchmal bin ich mir so fremd, dass ich schreiben muss: tomas mueller. ich weiß nur, was ich schreibe. jede entdeckung, erkenntnis, erfahrung gelingt mir nur schreibend – und sei es mittelbar, weil das entdeckte, erkannte, erfahrene allein zu bewahren ist, indem ich davon erzähle, indem ich mir davon erzähle, schreibend. ich fürchte von jedem neuen satz, was er von mir enthüllt; aber nur was benannt, bekannt, beschrieben ist, das kann bekämpft werden und droht nicht mehr im ungewissen. nur wo das wort flattert, schwirrt und sirrt, lauern nicht länger dämonen. deshalb wird von tomas mueller geredet, der wird mit den dämonen fertig, ich nicht, ich fürchte mich. ja, ich bin so kümmerlich, kläglich, kärglich, dass ich diese identität keinem zumuten kann, nicht einmal einer erfundenen figur; tomas mueller ist so gelassen und gleichmütig, so ruhig und freundlich, so bestimmt und bedacht, dass es mir vermessen erschiene, von mir zu sprechen, wo von ihm die rede ist, und von ihm zu reden, wo es auf mich zu sprechen kommt.

wer weiß, vielleicht sitzt auch tomas mueller am schreibtisch und denkt an eine taumelnde figur, die kreuz und quer läuft, grübelt, redet, die allenfalls staunend mit offenem mund herumirrt und nicht recht weiß, was sie von alledem, von sich und der welt halten soll. vielleicht gibt ihr tomas mueller meinen namen – und lässt sie voller bewunderung von ihm erzählen.

***

an einen knorrigen pflaumenbaum gelehnt sah ich den stamm entlang durch geäst und blätter hier und da ein zitterndes gestirn. das gras war kühl, die luft war feucht und die stille angenehm. – was denkst du? – das gespinst der wirklichkeit! (…) so etwas kann auch nur dir einfallen (hast du sie eigentlich schon genagelt? – nicht vom wein musste ich mich übergeben, sondern von diesem dahingesagten wort.) (…) was willst du eigentlich mal machen? – andere lebensentwürfe suchen; mit der suche und dem versuch alternativer lebensentwürfe – im garten der sich verzweigenden pfade – damit möchte ich mich gern beschäftigen.

eine frau trat mir in den weg, wenngleich ich nicht wusste, dass ich überhaupt unterwegs war, sondern vielmehr mit zitternden beinen umherirrte, und fragte mich, woher ich käme, wer ich sei, was ich wollte, vor allem aber, was der mensch denn eigentlich sei. sie ließe mich nicht vorüber, bevor ich nicht geantwortet hätte, und gäbe ich ihr eine falsche antwort, sei es um mich geschehen, sie verschlänge mich sofort.

anfänge, anfänge, anfänge, allerorten lauter anfänge und von noch vielem mehr wäre anzufangen, von kaspar krumpholtz, der auf großer fahrt seinen namen findet und von dessen nachkommen jeweils einer in dem polstersessel stirbt, den kaspar sich nach den entwürfen leonardo da vincis hatte anfertigen lassen, von den zwergen, die mit der zeit gehen und im erlenhügel ein callcenter aufmachen, adressauskünfte, bahnverbindungen und stöhnende zwerginnen und die falk kreuthel als strohmann für ihre geschäfte brauchen, von der schwimmenden akademie, auf der robert eigenwilligs mehr als hundertjähriger großvater noch vor dem ersten weltkrieg als apothekergehilfe anheuerte von des arbeitslosen landmaschineningenieurs wolf entzmanns sternenreise, von dem freiheitskämpferterroristen zhanne, der für eines fremden sternes unabhängigkeit kämpfte und dessen bewusstsein von den besatzern zur strafe in andreas erdtlings gehirn gesperrt wurde, aber es muss auch einmal b gesagt und begonnen werden, chaotisch zwar, doch endlich vorwärts, vorwärts …

Veröffentlicht unter berggeschrei | Schreib einen Kommentar

wieder st. nikolai im blick von der universitätstraße. die kirche will mir als signum mitteldeutschen luthertums des späten 16. und frühen 17. jahrhunderts erscheinen. gewichtig-würdevolle, selbstbewusst-stolze pfarrer und superintendenten in schwarzen talaren, die dem bier wie dem „bergisch buch“ gleichermaßen zusprechen, wie die bürgermeister der zeit, deren porträts im alten rathaus hängen. während ich die treppen im städtischen kaufhaus hinaufkletterte, sang ich „nun danket alle gott“ so vor mich hin. tandaradei.

b. brachte mir einen artikel aus der zeit mit, wieder von e.f.; dieses mal über das marx-relief. es gäbe eine marx-gemeinde in leipzig, hier glaube man noch immer an den staatssozialismus und verhöhne die opfer. ich verstehe nicht, welcher teufel diese frau reitet, welchen kreuzzug sie führt, wozu? zusammengeklaubter unsinn. ich möchte mir am liebsten die haare raufen und mit einem vorschlaghammer irgendetwas kaputt schlagen angesichts solcher ignoranz und, ja, dummheit. aber dann hieße es wieder, meine neigung zur gewalt bezeichnete meine fehlerhafte position. schachmatt! – verbale prügel von linken und rechten (biederen traditionalisten: „sie müssen auch einmal uns leipziger verstehen!“; nicht dass ich etwas gegen traditonen hätte, ich sicherlich nicht), beweist mir nur, dass ich im grunde nicht an mir zu zweifeln brauche. das befriedigt, so eine art opfer und sisyphos, arbeiter im bergwerk des herrn zu sein. trotz alledem und alledem; unser wahlspruch heißt dennoch.

kempowski: (…) man hat keine lust und kraft, all die steine aufzusammeln. und schmeißen will man sie schon gar nicht.

beim blättern durch das notizbuch erinnerte ich mich an die kontroverse über den natonek-preis mit a.m. auf dem flur des institutsgebäudes habe ich herumgestottert und konnte keinen klaren satz formulieren, ich muss mir eben alles vorher notieren, dann fallen mir auch die schlagworte ein und mehr braucht es ja nicht. er brach die debatte jedenfalls ab; ich vermute, weil es ihm einfach zu dumm wurde, ich kann es verstehen. mein gehaspel würde ich auch nicht ertragen wollen, nur kann ich mir selbst nicht entkommen, die kammer nicht verlassen, in der ich sitz. ich alter haspelknecht; wenn ich nach gedingearbeit bezahlt würde, ich verhungerte. aber natonek: wer einen preis annimmt, bestätigt immer die verhältnisse, aus denen heraus er vergeben wird; wer sich damit nicht gemein machen will und in widerspruch, in widerstand zu ihnen lebt, der lehnt den preis ganz einfach ab. beispiel sartre. the power of an example. punktum. aber nein: sie wollen schon mit lobgold überhäuft werden (wer wollte das nicht?), nur, bitteschön, politisch korrekt muss es sein.

Veröffentlicht unter Uncategorized | Verschlagwortet mit | Kommentare deaktiviert für

der anblick des uniriesen durch die krone der bäume im schillerpark. ich hatte den eindruck, als befände ich mich in einer mittelgroßen amerikanischen stadt, deren name niemand kennt, die für sich existiert, mit universität, akademie und regionalen wirtschaftsgrößen, die sich für josef ackermann im kleinen halten. – vor jahren lief ich des nachts einmal über die brücke am sportforum, ich besuchte u., und dachte: nehmen wir an, leipzig sei die welt. – gelegentlich habe ich phantasien, die dahingehen, dass durch irgendeine absonderliche groß-katastrophe die ganze menschheit umkommt, nur die region um leipzig bleibt verschont (manch einer mag das für ein horrorszenario im horroszenario halten, gewiss …) – wie dann die neuerliche besiedlung der welt von leipzig aus begänne, aber zunächst die lebensmittel- und energieversorgung, die suche nach überlebenden mithilfe von langwellensendern und flugzeugen. noch absonderlicher die vorstellung, die leipziger region würde wie sie ist, auf einen anderen planeten versetzt, mit grünzeug und ähnlich entwickelter fauna wie hier, die erkundung der neuen welt, raketen, satelliten, die gründung von siedlungen: neu-grimma, neu-plagwitz usf. das fällt mir häufig ein, wenn ich mich der stadt auf der b2 von süden nähere. zuweilen stelle ich mir dann aber die stadt auch als namenloses provinznest irgendwo hinter dem ural vor, vermutlich wegen der jungen birkenwälder. birkenwälder sind bekanntlich rußland. — seltsame vorstellungen allesamt.

ich lese kempowskis tagebuch des jahres 1989 und versetze mich zurück. ich hätte auch schon ein tagebuch schreiben können. aber angesichts der enge und ausweglosigkeit bekomme ich angst: was hätte ich lesen sollen während der jahre, bis ich mir in der kreisstadt, wo das gymnasium lag, hätte bücher aus der bibliothek leihen oder im buchladen kaufen können. die bibel hätte ich lesen können, das wäre vorhanden gewesen, und die buddenbrooks; und dann aus der kreisstädtischen bücherei: lyrik, strittmatter, thomas mann: die josefsromane und der zauberberg … ich stelle mir vor, ich könnte dort noch einmal neu ansetzen, allerdings mit dem wissen und geisteszustand von heute. schulhefte mit aufzeichnungen füllen, lesen und beobachten, den deutschlandfunk hören als alternative zur regionalen tageszeitung. all die vielen spinnigen ideen und phantasien aufschreiben, die ich entwickelte, während ich in der schule wartete. schreiben üben. auf dem lateinunterricht bestehen. wanderungen in der gegend, früh beginnen mit kontakten zu museen, archiven und heimatforschern – ach ja. don’t spend time for imaging, what might have been. if you’re knocked down, get up, get up. amaze by the power of your example, not by the example of your power … – am nachmittag sah ich wahlkampfreden der demokraten in denver.

es stimmt schon: schreiben macht spaß. aber die mühsal des aufstehens am morgen, und dann die vielen dinge, bevor man beginnen kann, das mühsame duschen, ankleiden und frühstücken, so gehen halbe und dreiviertele stunden dahin. die angst vor den mageren ergebnissen, die man produziert. aber gewiss, ja, genügend quantität bringt auch einen umschlag in qualität. hofft man wenigstens. oder: wenn jeder genauso fleißig die orgel traktieret, wird er es genauso weit bringen wie ich.

glaswulzelbewegung!, sagt der eine chinese zum andern – und der versteht nur bahnhof.

Veröffentlicht unter Uncategorized | Verschlagwortet mit | Kommentare deaktiviert für