später beim kustos. wir sprachen über das paulinum und die gegenstände, vor allem die epitaphien, die dort aus der alten universitätskirche aufgehängt werden sollen. er bot eine führung durch das depot an, in dem die geretteten inventarstücke st. paulis lagern – g. t. und ich sagten zu. verwunderlich: in einem hinterhof in der hainstraße liegen schätze und vorn gehn die leute vorüber mit ein paar schnäppchen in der plastiktüte. — der schwere atem alter epitaphien, / so dicht, dass sogar menschen / schweben, die zeit wird flüssig / und ich spür sie durch mich strömen. (24.07.08)

bei der promotion der althistorikerin r. eine kommilitonin – ich konnte nicht anders, ich musste sie ständig anlächeln und versuchen, ihre bekanntschaft zu machen. eine wunderschöne frau, die man stundenlang betrachten könnte, nur betrachten und das gefühl bekommen: es ist nicht vergebens, den stein vorwärtszuwälzen, die poesie liegt in der welt, die welt lässt sich verbessern, du kannst dein leben ändern

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vormittags rief g. t. an und bat mich, in die beethovenstraße zu kommen. dort erfuhr ich, dass das rektoratskollegium die vier projekte in die kategorie zwei eingestuft habe, so dass deren finanzierung in jedem fall gesichert sei; außerdem gebe es einen beschluss, uns ein büro zur verfügung zu stellen. was soll man da noch sagen … – und schüchtern blickt man zu boden, während man mit dem rechten fuß einen bogen beschreibt.

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was brauchst du (friederike mayröcker)

was brauchst du? einen Baum ein Haus zu

ermessen wie groß wie klein das Leben als Mensch

wie groß wie klein wenn du aufblickst zur Krone

dich verlierst in grüner üppiger Schönheit

wie groß wie klein bedenkst du wie kurz

dein Leben vergleichst du es mit dem Leben der Bäume

du brauchst einen Baum du brauchst ein Haus

keines für dich allein nur einen Winkel ein Dach

zu sitzen zu denken zu schlafen zu träumen

zu schreiben zu schweigen zu sehen den Freund

die Gestirne das Gras die Blume den Himmel

es geht um das schreiben … bis zur erschöpfung; (…) der rhythmus, der einem wunderbarerweise das schreiben zum leben macht und das leben zum schreiben

(deutschlandfunk, lyrikkalender – eine großartige sache, ein genialer gedanke: zwischen erwin huber und börseninformationen die merseburger zaubersprüche …)

vielleicht ist es ja in der tat so, dass uns eine relatio in anima et animo verbindet; ich bin fest davon überzeugt, dass wir aus unserer zufälligen begegnung (wie sie sagte: was, wenn sie kein cello spielte …) irgend etwas machen müssen – was genau: ich weiß auch nicht, aber es wäre doch traurig (und was entgänge der großen und kleinen menschheit …), wenn unsere begegnung folgenlos im sande der zeit verliefe! ich gebe zu, eine frau, drei kinder, viele bücher und das bis 105 bei klarem verstand und in rüstigkeit, dieser vorstellung hänge ich auch an. sie möchte ich unbedingt in meinem leben haben, in welcher weise nun auch immer; schließlich brauche ich ja eine weibliche sichtweise auf meine einfälle. ich sehe mich als einen konservativen, dessen oberste parole lautet: pragmatisch handeln. freilich: wenn es einen erwischt, ist man gegen die biochemie machtlos – oder doch nicht ganz, sofern man sie als machtvoll anerkennt? insofern jedenfalls bin ich mir über die kulturellen prägungen bewusst, die unser und auch mein bild von „liebe“ und „zweierbeziehung“ ganz entscheidend ausmachen – genauso wie über die biologisch-anthropologischen prägungen. ich weiß (ich ahne …) was das interesse für menschen im guten wie im zerstörerischen anrichten kann; die vernunft kann da meistens nur zusehen. aber was wäre das für eine vernunft, wenn sie daraus nicht lernte. kurzum: ich weiß, dass wir alle aus krummem holz gemacht sind, so dass man keine geraden ellen an uns legen kann ohne zu scheitern. folglich darf man eben keine gerade elle anlegen. soll heißen: pragmatisch handeln bedeutet die realitäten des lebens so gut es geht erkennen (was erkennt man, was deutet man?), sie akzeptieren und versuchen, immer das beste daraus machen, das beste, wozu man irgend in der lage ist. gerate wohl! man mag eine feste vorstellung haben (eine frau fürs leben, drei kinder usf.) und über das stete scheitern in der realität unglücklich und depressiv werden – oder man muss sehen, was sich aus dem gegebenen machen lässt. nehmen, was man kriegen kann und das beste daraus machen. das mag nun sehr alternativ klingen, nach meiner lesart ist es aber ganz unideologisch konservativ. gewiss: auch ich trag meine brille. denn es bedeutet ja nicht: beliebigkeit leben oder gar allem hinterher sein, was nicht, wie man so sagt, bei drei! auf den bäumen ist, sondern es bedeutet, die beliebigkeit, die zufälligkeiten des lebens aufnehmen und mit aller zu gebote stehender macht sinn stiften, sich entgegen allen wahrscheinlichkeiten und allem scheitern zum trotz in das leben werfen, das beste daraus machen – was auch immer bedeutet: rücksicht nehmen, niemanden zwingen, auf gewalt verzichten … mitzulieben, nicht mitzuhassen ist mein teil. es sollte uns doch möglich sein, einen modus vivendi zu finden. – schleiermacher definiert die liebe als synthese aus fantasie und vernunft.

ich kann nur sagen, was ich jetzt denke und empfinde; ich weiß auch nicht, ob ich mit dem eben geschriebenen meine naivität ins kraut schießen lasse. aber wie schon gesagt: was man auch tut, man kann es nur aufs gerate wohl! anlegen, garantien gibt es nirgends, entsprechend risikoorientiert vorsichtig muss man handeln. aber eben handeln. leicht gesagt alles, leicht gesagt. erst wenn der autor mit seiner art zu leben dafür einsteht, gewinnen die worte gewicht.

in uns allen sind viel mehr möglichkeiten angelegt, als es, nicht zuletzt auch uns jeweils einzelnem selber erscheint; es kommt auf die menschen an, denen wir begegnen, und den mut, die möglichkeiten wahrzunehmen, die sich an diese begegnungen knüpfen.

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wenn ich mit dem rad durch leipzig fahre, wenn es mühsam geht und die luft von abgasen erfüllt ist, frage ich mich, warum ich das eigentlich tue und nicht etwa mit der straßenbahn oder gar dem eigenen kraftwagen fahre. bei einem derartigen selbstquälen sieht man am ende den lohn für die mühen, man hat das ziel erreicht. und ganz abgesehen davon, in der logik der bergpredigt, nimmt man lieber eine mögliche lungenerkrankung in kauf als … nun nicht gerade eine überflüssige erhöhung der eigenen kohlendioxidbilanz, so stark sollte man sich von der neuen meistererzählung nicht disziplinieren lassen, aber eine überflüssige, kaum zu rechtfertigende erhöhung der eigenen energiebilanz. denn mit welchem recht (außer dass ich es eben tun könnte) gestatte ich mir die annehmlichkeit, vielleicht zwei-drei kilometer durch leipzig statt mit dem rad mit dem auto zu fahren, wenn die antipoden zwanzig-dreißig kilometer zum brunnen und zur schule laufen – und sich darüber noch freuen. das radfahren sozusagen als beitrag zur gerechtigkeit auf der welt. lachhaft. außerdem ist es ja nicht ausgemacht, dass gelegentliches Einatmen von abgasen bei gleichzeitiger körperlicher betägigung (eben das radfahren im großstädtischen verkehr) tatsächlich eine schlechtere lebenserwartung bedeutet als die alternative verwendung von geschlossenen verkehrsmitteln, bei deren benutzung man weniger schadstoffe inhaliert, sich dafür aber auch weniger anstrengt … – naja, alles so geschwafel, das einem beim radfahren in den sinn kommt, das dabei gut klingt, aber bei der tatsächlichen niederschrift doch sehr dürftig wirkt.

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ich erwachte vielleicht gegen acht uhr und konnte nicht mehr einschlafen, wie mir es gestern schon geschah – macht das die begegnung mit s. oder der sinn, den ich seltsamerweise wieder in meinem leben erkenne?

in der bibliothek waren es am nachmittag angenehme 17-18 grad celsius – wie in d.s bibliothek – ohne weitere vergleiche ziehen zu wollen oder nahezulegen … es ließ sich schön arbeiten und ich konnte endlich den ersten entwurf des heidelberger call for papers abschließen.

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zum ersten mal arbeitete ich mit dem rechner in der wehrmachtsbaracke. ich blicke aus dem fenster nach süden und sehe mitteleuropa. ich war nur mittags und nachmittags jeweils kurz zum essen im hause – hier ließe sich arbeiten, hier lässt sich arbeiten. lesendenkenschreiben– zungenschnalzen.

man kann wunderbar die hühner im garten beobachten, diese sauriere der gegenwart: ein weißes stahl einem roten einen fetten wurm, aber es konnte ihn nicht verschlingen, denn dazu hätte es ihn noch einmal aus dem schnabel lassen müssen, um ihn anders aufzunehmen – wohin es auch in seiner verzweiflung, immer den wurm im schnabel, auch lief, den hügel hinauf, den hügel hinunter, immer wurde es von einer menge anderer hühner verfolgt, die auch scharf auf die beute waren und ein huhn denkt sich mit seinem einfachen gemüt, was einmal klappt, klappt auch zweimal. schließlich verlor ich die ganze schar aus dem blick und kann nicht sagen, wie es ausging. kapitalismuskritik im hühnergarten.

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ein studentenpärchen in der vorlesung: sie schmiegt sich an ihn und ich freue mich an dem bild, das ich erblicke. ich lächle sie an, und sie lächelt zurück – das ist vermutlich der mehrwert der liebe, denn man fühlt, ohne selbst in die beziehung eingeschlossen zu sein, im grunde als wildfremder, man fühlt sich ein stück weit einbezogen, wenigstens jedoch sehr wohl. – überhaupt: schöne frauen in der vorlesung, die ich im vorübergehen anlächle (gewiss: mir geht es gut und vielleicht strahle ich auch etwas von diesem wohlbefinden aus …) und die zurücklächeln – woher kommt nur diese bereitschaft, ausgerechnet mich anzulächeln, welche schöne frau hat dazu veranlassung – verwunderung, verwunderung!

in der liebe (oho!) kann man von niemandem erwarten, dass er sich verpflichtet fühle, vielleicht kann man es von sich selbst, aber auch das ist immer wieder zu beweisen, also vorsicht mit allzu hohen forderungen. es gelingen ohnehin nur die schüchternen versuche um die mitte herum (walser). man kann niemanden zwingen zu glauben, man kann niemanden zwingen zu lieben: liebe! die liebe eifert nicht, sie ist freundlich und langmütig. (eben schrieb ich: langmützig … also schön: die liebe ist langmützig.) jedenfalls: ich befinde mich dank ihr und durch sie wohl, ich habe wieder das gefühl, der mensch zu sein oder sein zu können, der ich sein möchte – was will ich mehr? — man müsste noch einen kommentar anfügen, aber mir fällt nichts ein; ich habe das empfinden, als fehlte dem text eine dimension, so kann man ihn ja auch bei lieschen müller im tagebuch lesen … – darf ich mir solche sätze erlauben, worin besteht dann der grund, sie niederzuschreiben? text um des text willen zu produzieren genügt freilich nicht, denn dann werden solche oberflächlichen sentenzen, binsenweisheiten, legion – und das will keiner.

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während ich mit dem rad durch den park in die beethovenstraße fuhr, erinnerte ich mich an den artikel über die rassismus-debatte, über den ich mich gestern schon erregt hatte: nicht begreifen kann ich es, wie man derart unreflektiert, ja geradezu plump die beste verfassung in der deutschen geschichte, die aus vielerlei harten und bitteren erfahrungen (scheitern der paulskirchenverfassung, weimarer verfassung, nationalsozialismus, kalter krieg) entstanden ist, die auf der welt ihresgleichen sucht, die beileibe nicht der weisheit letzter schluss ist, nicht sein kann, aber alles in allem einen gelungenen wurf darstellt (zumal wir nichts besseres haben und auf absehbare zeit auch nichts besseres bekommen werden), wie man eine solche verfassung mit einigen eilig dahingeschriebenen worten abzutun vermag. diese verfassung hat es doch nicht zuletzt ermöglicht, dass aus der recht autoriär angelegten adenauer-gesellschaft (die nun so miefig-spießig-bieder auch nicht war, stichwort: kluge, walser, grass …), die pluralistische, nachgerade bunte zivilgesellschaft entstehen konnte, die es vielleicht nicht in jedem obererzgebirgischen oder vorpommerschen dorf gibt, aber doch in weiten teilen des landes. ganz abgesehen von den potentialen, die in dieser verfassung stecken und die noch darauf warten, entfaltet zu werden (etwa: „eigentum verpflichtet“). man muss doch auch einmal sehen, woher man kommt und welche wegstrecke schon zurückgelegt worden ist, bevor man die gegenwärtigen zustände, die ich weiß gott, weiß gott! nicht über den grünen klee loben möchte, in bausch und bogen verdammt. erst sehen, ob man es wirklich besser machen kann, wirklich besser (wohlgemerkt: was heißt überhaupt besser?), besser machen kann, was die eigenen fähigkeiten anbetrifft wie auch die beharrungskräfte der strukturen langer dauer, ehe man zum vorschlaghammer greift, um alles kurz und klein zu schlagen! und das alles unter dem vorsatz, fremdenfeindliche, rassistische, geschlossene weltbilder und denkstrukturen aufzubrechen, den prozess der aufklärung voranzutreiben und die zivilgesellschaftlichen, wohlfahrtsstaatlichen errungenschaften im gefolge der atlantischen revolutionen gegen fundamentalismen aller art und einen immer zügelloser, immer wilder agierdenden globalen kapitalismus zu verteidigen. diese verfassung, die übel gescholtene „freiheitlich-demokratische grundordnung“ ist dabei kein bremsklotz und erst recht kein argument der reaktion (wenn man sich auf diese dialektik einmal einlassen möchte, wobei ich das auch für unsinn halte, gelinde gesagt: unsinn), sie ist vielmehr der beste alliierte, der zu haben ist, ja in gewisser weise ein trojanisches pferd in der wagen-burg, in der sich diejenigen verschanzt haben, die aus trägheit den eigenen verstand nur spärlich gebrauchen. es hilft keine plumpe polemik und es helfen keine verbote, die man aussprechen kann und sich gut fühlt, die aber das problem nur verschieben, statt zu lösen. es hilft nur beharrlichkeit, es hilft nur: schlauer sein – oder anders ausgedrückt: anmut sparet nicht noch mühe, leidenschaft nicht noch verstand …

wieviel muss man lernen, wie weit muss man denken, um sich nicht mehr von den anfechtungen des alltäglichen lebens kleinkriegen zu lassen. denn es gibt so viel zu tun und zu erkunden, während ich dasitze und mich beim leiden beobachte. ach, ach.

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wir standen am fenster – der blick sieht wirklich nach paris aus. plötzlich sagte sie, in dieser wohnung werde sie ihren ersten roman schreiben. das sei ja selbst schon fast ein romananfang, erwiderte ich.

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gegen dreiviertel sieben erwachte ich und hätte aufstehen sollen, aber ich blieb liegen und dachte nach – bis ich wieder einschlief. aber ich behielt viel von dem gedachten im kopf und notierte es später.

in der bildungspolitik sind die ideologischen brillen mitunter so mächtig und massiv, dass man sie nicht als solcherart verzerrungsgläser wahrnimmt, sondern für teile der realität hält.

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