im foyer der bibliothek ein pärchen dicht beieinander; sie schmiegt ihr gesicht an seines und berührt es immer wieder behutsam. – man ist zur teilnehmenden beobachtung gezwungen; man möchte sich aber zugleich am liebsten auf eine treppenstufe setzen und weinen, heulen, laut wehklagen, sich die haare raufen, wie orientalische klageweiber, die im trauerfall engagiert wurden, denn wozu macht man das alles, wenn niemand dicht neben einem steht und einen immer wieder behutsam berührt. – aber man geht vorüber, ein flüchtiger blick allenfalls, ein schulterzucken, ein kurzes kopfschütteln, ein seufzen. man fasst sich selbst als teil des feldes auf und denkt sich nur: das alles gibt es also.

Veröffentlicht unter pärchen, poetik, staunen | Verschlagwortet mit | Schreib einen Kommentar

in der bibliothek saß tatsächlich wieder s. c.; sie kam vorüber, ich tat so, als sei ich beschäftigt, um herauszufinden, ob sie vorüberliefe oder ein wort sagen würde. sie klopfte auf den tisch und wir unterhielten uns, erst im lesesaal, dann im foyer. ich hatte den eindruck: die ist nur nett. ich stehe aber nach wie vor am fenster, das halb den blick ins freie öffnet, halb mich und den raum hinter mir spiegelt; ich sehe weniger hinaus als vielmehr vor mich hin und weiß nicht recht, was ich von all dem halten soll. ihre nähe und vertrautheit über den tag hinaus wünsche ich mir; alles übrige, weitere, steht mir nicht recht zu, so wird mir zunehmend klarer. wie komme ich überhaupt darauf? das alte lied, immer wieder der gleiche fehler. ihre freundlichkeit ist verblüffend, ihr strahlendes gesicht geht mir nahe, ich schließe die augen und sehe sie lächeln. sie tut mir gut, in welcher weise auch immer. — ich erinnere mich dieser tage daran, wie ich sie vor vielen jahren einmal abends in der innenstadt traf, mit anderen medizinern kam sie von einem konzert. sie sah so souverän aus, sie macht den eindruck einer frau, die mit beiden beinen auf festem grund steht. aus den begegnungen, die einem der zufall in die hände spielt, das beste zu machen, das ist am ende vielleicht die einzige aufgabe, die man erfüllen kann.

gustav seibt schreibt in der süddeutschen unter der überschrift „wir schuldenmacher“ über die gegenwärtige finanzkrise, krise des kapitalismus:

die oft diagnostizierte umstellung des kapitalistischen systems von arbeit auf konsum – letztlich eine auswirkung des historisch wohl vorübergehenden, auf dem öl basierenden energieüberflusses vor allem seit den fünfziger jahren des 20. jahrhunderts -, diese umstellung hat langfristig einen neuen menschentypus herangebildet. das sind wir, die schwerelosen, heiteren und leichtsinnigen bürger der wohlstandszonen auf der nördlichen hemisphäre des erdballs. (…) vielleicht kann die aktuelle krise im verein mit der auf lange sicht viel tiefgreifenderen energieknappheit, die sich in dramatisch steigenden preisen ankündigt, zum ausgangspunkt einer umsteuerung nicht nur an der spitze, sondern auch an der basis geben. wenn die menschen wieder am eigenen leib erfahren, wie geld und arbeit zusammenhängen, dann kann das kapitalistische system, diese komplexe, großartige, freiheitsverbürgende errungenschaft der menschheitsgeschichte, vielleicht zu seiner ursprünglichen ehrbarkeit zurückfinden.

wir enkel, die wir dieser menschentypus geworden sind und nur mit schmerzen uns werden ändern können, wir müssen verzichten, uns bleibt gar nichts anderes übrig. womöglich müssen wir stärker verzichten als es mit blick auf die europäischen verhältnisse vor der systemumstellung geboten erscheint, denn die energie wird knapp und knapper und es sitzen mehr menschen am tisch, die sich nicht ohne weiteres mehr davon abdrängen lassen werden. – ich wiederhole: analog zum weight watching sollte man eine art consum watching betreiben, bei dem man sich gegenseitig fragt, ob man diese oder jene anschaffung tatsächlich braucht – von textilien über technische geräte bis hin zu, ja: büchern, schließlich gibt es bibliotheken …

Veröffentlicht unter demokratie, ökologie, staunen, wirtschaft | 2 Kommentare

geträumt: ein schiff geht unter, einer ertrinkt und gleitet zum grund, mit weit aufgerissenem mund und vorgeschobenem kinn, so eine mischung aus karl V. und einem butt. auf dem meeresboden eine glockenartig überwölbte unterirdische stadt, ein bisschen wie cameroons abyss. in einer höhle vor der stadt verdampfen zwei fischartig aussehende untermeerisch-außerirdische (?) mit ihren strahlenwaffen die leiche des ertrunkenen. warum auch immer. in der folge breitet sich eine ungeheure gleißend helle energieladung aus und schlägt über der glaskuppel zusammen. es entsteht ein tsunami, der auf eine küste trifft, wo eine römische armee eine keltisch-germanische siedlung mit mehreren wällen und gräben belagert. die flutwelle überwindet wall um wall, die kelten-germanen versuchen in das innere der anlage zu gelangen, vor dem letzten wall ebbt die welle ab und das wasser fließt wieder zurück ins meer, die überlebenden kelten-germanen und römer handeln einen waffenstillstand aus, die römer ziehen ab. interessant, das ritual der einstellung der kampfhandlungen von römischer seite, der kriegsbogen wird entspannt und in eine spezielle hülle gepackt. allerdings lehnt es der römische befehlshaber ab, ganz auf die einstellung des krieges zu verzichten, er hält es offen. die kelten-germanen bleiben mit gemischten gefühlen zurück, als die römer abziehen; schließlich verlassen auch sie die stark zerstörte siedlung. – was das bedeuten mag.

Veröffentlicht unter traum | Verschlagwortet mit | Schreib einen Kommentar

unter der überschrift: darstellung als herstellung folgende passage im blog meines, kann man das sagen: blogwarts?

es muss eine große erzählung geschrieben werden (immer wieder), um welt und erleben zu verwandeln. diese verwandlung ist eine der sicht, nicht der substanz. fakten bleiben, eigentlich bleibt alles. und doch ist das licht ein ganz anderes, ist eigentlich das ding selbst anders.

ich entsinne mich, dass ich wohl einmal gedacht und gesagt habe, dass der umgang mit vergangenem alles ausmacht. (…)

das aparte daran ist das datum: 18. juli 2005. ich erinere mich recht genau, was ich an diesem tag selber tat, natürlich. – man ist versucht, genauer: ich bin versucht, ständig bestätigende orakelsprüche zu finden. dabei sind es alles nur leere zeichen ohne zusammenhang, die ich in beziehung setze und mit meinen sehnsüchten fülle. weder an den zweifeln noch an den gewissheiten ändern sie etwas. ich gebe nichts auf, ich stürme nicht voran, wo engel furchtsam wichen …

Veröffentlicht unter literatur, poetik, staunen | Schreib einen Kommentar

cfp: ein artikel über serbiens annäherung an die eu. motto: ihr müsst euch aber anstrengen und fleißig auf unser niveau reformieren. wie schwer reformen umzusetzen sind, wie groß der diskussionsbedarf ist und welche mühe man aufwenden muss, damit sich so viele mitglieder eines gemeinwesens wie irgend möglich gehört und nicht übergangen fühlen, merkt man immer wieder hierzulande. möchte mal uns deutsche (ich deutsche, du deutschst, er/sie/es deutscht, wir deutschen …) im hinteren balkan sehen, wenn irgendwelche komischen internationalen organisationen daherkommen und verbesserungen einfordern. deregulierung der wirtschaft, anstrengungen im bildungsbereich, bürokratieabbau … als säßen wir auf einem besonders hohen turm, könnten urteilen und bräuchten uns selber nicht an die nase zu fassen. unmöglich, empörend. selbstgefällig.

ich mag keine ausrufezeichen. die wirken so bestimmt und sicher. als stünde man fest im glauben … sobald ich eines zu setzen versucht bin, muss ich an pubertierende mädchen denken, ihre sympathien von kurzer haltbarkeit halten sie in einem rosa tagebüchlein fest, bauchige schrift und der i-punkt ist ein unvollständiger kreis. ganz wichtig, drei ausrufezeichen, minimum, hinter jeder personalentscheidung. – überhaupt satzzeichen, fragezeichen werden mir auch immer mehr zuwider. selbst doppelpunkte setze ich zunehmend missmutiger. komma, punkt und semikolon (ob das im dritten reich auch so genannt wurde?), gelegentlich ein bindestrich. am liebsten von allen das semikolon.

eigentlich ist es unnötig, die texte aus dem notizbuch zu übertragen. wo’s steht, steht’s. wenn ich’s brauche, kann ich’s immer noch übertragen. – anders verhält es sich bei stücken, die ich nur probehalber und als ersten entwurf dort niederschreibe. aber nur die betrachtungen, die mir so in den sinn kommen, zu übertragen, damit die seiten voll werden. das kostet doch alles zeit und enttäuscht am ende nur.

Veröffentlicht unter demokratie, deutschland, europa, poetik, Uncategorized | 2 Kommentare

ein bild vor augen, kein traum, keine phantasie: eine untersetzte, kleinwüchsige frau, die einen schwarzen rock trägt, der normalgewachsenen frauen bis knapp unter die knie reicht, ihr aber bis zu den füßen, tippelt in trippelschritten über eine verwinkelte pflastersteinfläche, während sie mit ihren schultern schlackert. sie ist ganz schwarz gewandet, macht aber nicht den eindruck einer witwe, eher scheint es eine art tracht zu sein, flamenco-tänzerin. schwarzes haar. man sieht sie nur von hinten, wie sie mit ihren trippelschritten, die man jedoch nur unterstellen kann aufgrund ihres ruckeligen bewegungsablaufes, zu entkommen versucht – vor was auch immer. vielleicht vor unseren neugierigen, spöttischen blicken. seltsam.

im magazinkern eine hübsche frau in einer cordhose, der ich kurz zuvor die tür offen gehalten hatte. zwei flüchtige blicke. man seufzt auf und vertieft sich wieder in sein buch, weil das die einzige alternative ist. so gehen die begegnungen dahin. aus wie vielen kann man nichts machen? oder ist das nur eine illusion? aber was sollte ich denn sagen? – und: was wollte ich damit sagen?

ein telefonat mit dr. h. aha, ein geisteswissenschaftler sei ich, die zeichneten sich durch realitätsferne ideen aus, da habe er erfahrungen. er sei mathematiker und stehe den dingen nüchtern gegenüber. er wolle zwar kein engagement zügeln, da sei er der letzte, der …; nur sei immer wieder zu beobachten, dass sich weniges so entwickle, wie man’s anfangs unterstellt. ach, dachte ich aber. tatsächlich? planen und schon wird’s so. überall vorurteile, naturwissenschaftler sind machbarkeitsgeil, wirtschaftswissenschaftler sind machbarkeitsgeil, juristen sind machbarkeitsgeil, geisteswissenschaftler sind machbarkeitsgeil – ob das eine anthropologische grundkonstante ist? vermutlich wieder zu geisteswissenschaftlich gedacht. – geschätzte fünf mal erzählte er mir, er habe 24.000 briefe an absolventen verschickt und nur einer habe geantwortet. möchte mal sehen, wie h. 24.000 briefe schreibt und verschickt. beim briefmarkenkleben blieb ihm bestimmt die spucke weg … – da wird einem über den mund gefahren, dass man am liebsten aus der haut fahren möchte. ich bin doch kein dummer junge, trotz all meiner bretter vorm kopf. (vermutlich erzählt man sich aber derlei hinter vorgehaltener hand: kennen sie den? naja …) man kann doch immer freundlich bleiben. und wenn man einen kleinen elite-verein haben möchte, dessen mitglieder sich gegenseitig ihres unermüdlichen mäzenatentums versichern und auf politik, gesellschaft und jugend schimpfen, taugen alle nichts, die studenten am wenigsten, dann soll man’s auch sagen. dann verschwende ich darauf kein weiteres gran (wahrscheinlich doch nicht). – ich ärgerte mich und erst als ich abends mahlers erste sinfonie, der titan, im radio hörte, beruhigte ich mich wieder. es ist auch eigentlich kein ärger gewesen, niedergeschlagenheit war’s. solche leute wissen gar nicht, was sie in anderen anrichten. fährt da mit einem panzer durch mein seelengärtlein – mathematiker. stehen den dingen nüchtern gegenüber. so ein seelengärtlein gehört zu den dingen, wenn man’s medizinisch-naturwisschenschaftlich auch anders bezeichnen mag. jedenfalls fiel mir beim mahlerhören marc aurel ein. lass den doch reden. ich erinnerte mich, wie er mir, als ich ihn zum ersten mal sah, wie eine tragische figur aus einem amerikanischen gesellschaftsroman vorkam, saul bellow etwa. – g. macht urlaub in tirol und ich muss mich hier vollpflaumen lassen.

abends saß ich in der badewanne, las gedichte von hermann lenz und trank ungesüßten jasmintee. ich fühlte mich sehr asketisch.

Veröffentlicht unter literatur, staunen, universität | Schreib einen Kommentar

nine-eleven, auch schon eine ewigkeit her. ich habe keine lust, auch nur drei sätze darüber zu schreiben, ob es eine zäsur war oder nicht. das wäre beschäftigungstherapie.

ich solle nicht verzweifeln, sagte mir w. r. beim mittagessen. meistens komme eine lösung, wenn man sie schon nicht mehr erwarte. – eben darauf warte ich ja und versuche in der zwischenzeit, meine dinge oder jene, die ich dafür halte, voranzutreiben.

in der bibliotheca albertina begegnete mir wieder die medizinstudentin, die ich aus der studienstiftung kenne und die ich schon vor einiger zeit am eingang einmal getroffen und gesprochen hatte. damals wie heute trat sie freundlich lächelnd auf mich zu und verwickelte mich in ein gespräch, von dem ich nicht wusste, welchen hintergrund es hatte – ich beziehe alles immer viel zu sehr auf mich im guten wie im üblen.  – flugs geht es mir wieder gut und ich sehe tausend möglichkeiten, wo ich am nachmittag noch betrübt und niedergeschlagen war.

immer zu spät fällt mir meine sympathie auf, ich scheine nie ganz richtig dabei zu sein in der gegenwart.

auch wenn meine notate bloßer schrott wären, sie niederzuschreiben verschafft mir augenblicke der erfüllung. dabei fühle ich mich als mensch. sonst bin ich nur getrieben von äußeren kräften. – was ich will? beobachtungen notieren und dass mir dabei jemand auf die schulter klopft und sagt: ist schon richtig, was du machst.

Veröffentlicht unter poetik, staunen, welt | 2 Kommentare

nachdem ich noch eine weile im bett herumgelegen hatte, stand ich auf, stieg sozusagen in die welt hinab, setzte mich an den schreibtisch und beschrieb mehrere seiten im notizbuch. flash, würde s. das wohl nennen.

woher kommen nur die gedanken; wie entstehen bilder und einfälle? – was ist das überhaupt: ein gedanke? — ein bild von einer kabeltrommel tauchte auf, und mir war plötzlich klar, der sicherungskasten daheim soll versetzt werden – alles lang besprochen und geplant, so schien es mir. ein bild taucht auf und sofort ist es in einen bezugsrahmen gesetzt. aber nichts von alledem, nur das bild der kabeltrommel, woher auch immer. – so gehen unsere gedanken und vermutlich auch unsere erinnerungen. der versuch, sinn darin zu lesen, ist unrealistisch. das ist der sinnstiftungs-mechanismus. – wer wollte freilich so eine geschichte lesen, ungeordnet und bezugslos?

wenn ich tatsächlich all das täte, was ich zu tun vorgebe, müsste ich rotieren wie eine kreissäge (der alte witz: „arme und beine bilden eine rotierende scheibe.“), alles, was mir nahe käme, würde zerfetzt. alles scherben, was ich fasse … die gefahr besteht nun nicht, aber trotzdem nähert sich mir niemand. ach, dir geht es so schlecht, du armer, vergessener kaczynski-drilling. schon vergessen, du wolltest es doch so: ganz für dich alleine sein in deiner kammer. – gewiss, doch wenn der wolf der einsamkeit lauert und mich zu verschlingen droht, ist die einzige rettung, eine frau anrufen können und fragen: darf ich vorbeikommen, ich bin allein und halte’s grade nicht mehr aus.

es gibt kein endgültiges urteil über einen menschen, weil jeder einzelne in seinem urteil über einen andern eingeschlossen ist. so kann man nur immer zustimmen. – aber ich kann mich nicht einmal zu einem urteil probehalber aufraffen, mindestens drei habe ich, die ineinanderfließen. immer fehlen mir die richtigen worte, als sollte ich etwas zeichnen, und es gelänge mir nur ein unförmiger fleck oder beim modellieren ein grober klumpen.

wenn ich in meinem sessel sitze und einzuschlafen versuche, fallen mir viele hübsche sätze ein, aber die begeisterung darüber ist kleiner als die angst vor jener art müdigkeit, der man nicht mehr nachgeben kann und einschlafen.

Veröffentlicht unter Uncategorized | Schreib einen Kommentar

viele träume, die ich sämtlich vergaß, nur eine trübe erinnerung an eine stimmung blieb. ein feld im herbst, kälte, nebelschwaden, die flache wachheit nach zu kurzem schlaf.

eben stoße ich in einer rezension über paul nizons tagebücher der neunziger jahre auf den schweizer historiker, schriftsteller und publizisten jean rudolf von salis, der fünfundneunzig jahre alt wurde; während des zweiten weltkriegs machte er mit seinem radiokommentar „weltchronik“ als einer der wenigen unabhängigen deutschsprachigen stimmen derartige furore, dass die reichsregierung wegen seiner massiven regimekritik in bern mehrfach um seine demission einkam. historiker, schriftsteller, publizist …

cfp: mccain überflügle obama, seine running mate habe mit einer „kämpferischen rede voller sarkastischer seitenhiebe“ auf den demokraten beeindruckt. man kann gar nicht so viel steine sammeln, wie man werfen möchte.

(…) du bist zum wegschmeißen, dich kann niemand brauchen, obwohl … nun, warten wir mal ab.

zuviele bücher hast du angesammelt (immerhin sind sie ein hübscher wandschmuck). für dich allerdings sind sie mehr. sie dichten deine dachstube nach draußen ab.

nur die arbeit zählte, ohne sie war er nichtswürdig, ein herumtreiber.

solch ein gegrübel war natürlich unsinn. schließlich kam es darauf an zu leben.

literatur hatte mit irdischem wenig gemein; sie war eine variable größe, zog unterirdisches herauf oder flog dem außerirdischen entgegen, sozusagen.

und dort der hochgewachsene, der immer in die ferne schaute und mit offenem hemdkragen ging, die beiden oberen hemdknöpfe offen, der sah kühn aus. (da fällt einem b. ein …)

so hättest du’s auch machen sollen, die poesie nebenbei betreiben. als lebensschmuck gewissermaßen … aber von ihr leben wollen: eigentlich vermessen, ein unmöglicher gedanke … aber den hast du befolgt. wenn du keinen wert drauf legst, ein auto zu besitzen oder nebenfrauen zu bezirzen, dann kannst du es machen.

ich fürchte mich beinahe vor jedem gespräch. ja, wenn’s noch so wäre wie beim herrn grillparzer. ‚ich habe es nie fertiggebracht, vormittags mein zimmer zu verlassen‘ (…)

ich fürchte eigentlich immer, dass mich irgendjemand anrufen und unliebsames mitteilen könnte. das sind dann stets halbe katastrophen, die mich tage kosten, in denen ich versuche, mich wieder einigermaßen zu fangen. – abends klingelte das telefon, ich meldete mich vorsichtig. ja …? am andern ende rief es, wer denn da sei. – ich hatte mich gestern abend verwählt und nun rief eine ältere frau an, weil sie meine nummer irritiert hatte. – was nützt das telefon, was kostet es … der fortschritt und seine kehrseite beim träumen des nachts, beim ängstigen am telefon.

im radio eine reportage über eine landwirtschaftliche genossenschaft in kärtnen. – die seltsame faszination, die solche lebensreformerischen initiativen auf mich ausüben. abgeschiedenheit jenseits der großstadt, gemeinschafskassen, nachhaltigkeit, autarkie und alles tief durchdacht, mit platon eine wiese mähen, gewissermaßen. vermutlich wirkt da die kommunistische ideologie nach, die ich in meiner kindheit erfuhr durch bildergeschichten und utopische erzählungen. der zusammenbruch des ostblocks hat für mich eine gefährlichen nebenaspekt, denn er geschah zu einem zeitpunkt, an dem ich nur das morgenrot kennengelernt hatte, aber noch nicht die leichen in der dämmerung herumliegen sah. was nicht heißen soll, ich bedauerte den erfolg der freiheitsbewegung (ob das wort „freiheitsbewegung“ für die ereignisse in den späten achtziger und frühen neunziger jahren auch ideologie ist?) das macht mich aber zum idealisten besten-, zum spinnerten kommunisten schlimmstenfalls. im konservativen schafs- oder wolfspelz gut versteckt, je nach sichtweise und belieben.

Veröffentlicht unter Uncategorized | Schreib einen Kommentar

beim durchblättern des notizbuches: die karl-marx-univerisiät leipzig mit ihrem schwerpunkt globalisierungsforschung – von philosoph- bis zu biochemie. das dresdner karl-may-institut für kulturen der welt. möglichkeiten …

abends ein artikel im magazin der süddeutschen über einen neuen rechten. es stellt sich weniger der frage: bin ich ein nazi? sondern vielmehr: ist mein konzept von konservativismus nicht sehr konstruiert? bin ich nicht statt dessen vielmehr ein bernstein-jünger, ohne es mir eingestehen zu wollen? aber ich zweifele auch an der nachhaltigkeit von reformen. keine großentwürfe, auch nicht in kleinen schritten. neujustierung, anpassung, die bei der nächsten veränderung sofort obsolet wird, zumindest aber fraglich. ein sinn für das, was älter ist in uns als wir selber, womit nicht blut und boden, sondern mentalitäten und kulturelle muster gemeint sind, die man von kindesbeinen an verinnerlicht, nur schwer verändern kann für sich selbst und wohl überhaupt nicht bewusst in eine bestimmte richtung für die gruppe, der man angehört. mentalitätsdesign, sozusagen. ich weiß, dass die idee des melting pot problematisch ist, zusammenleben von menschen, die verschiedene lebensentwürfe und kulturelle muster im hintergrund haben, ist immer von konflikten geprägt. man kann sie eskalieren, man kann sie dämpfen, das ist vermutlich das einzige, was man dabei bewirken kann. der nationalstaat ist eine viel jüngere idee, vorstellungen von homogenisierung. der melting pot ist die uralte realität, das muss man vermeintlich ideologiefreien konservativen ins stammbuch schreiben. konservativismus heißt, in meiner lesart, sich um ideologiefreiheit zu bemühen, aber gleichzeitig den balken im eigenen auge einrechnen. ein echter konservativer weiß beispielsweise, dass die nation eine idee aus dem westeuropa des neunzehnten jahrhunderts ist – und wird keine kraft dafür aufwenden, dieser idee die realtität anzupassen.

es wird merklich kühler: vom fensterhalbrund zog es kühl an meinen nacken, während ich cibulkas „sanddornzeit“ beendete und hermann lenzens herbstlicht begann. im hals wurde es kratziger und ich hatte das gefühl, meinem kopf werde wärme entzogen. als säße ein dämon in meinem nacken, der die wärme aus meinem kopf löffelt oder mit den händen schöpft, wie man wasser aus einem brunnen schöpft.

bei cibulka merkt man deutlich die beschäftigung mit den großen diaristen der vergangenheit; die jüngers und erhart kästner sind im stil gegenwärtig. seine technologiekritische bezugnahme zu ökologischen themen, sozusagen ernst jünger ohne kämpfertum, und seine überlegungen zur landschaft machen ihn sympathisch. es erstaunt, dass ein solches buch in den siebziger jahren in der ddr erscheinen durfte. bedauerlich, dass es allem anschein nach keine biographische studie über cibulka gibt. – kluge, anregende gedanken; wenn man sie aufschreibt, bedeutet das nicht, dass man sie unterschreibt, kommentar ist immer. aber sie helfen weiter, führen weiter. schreiben ist lesen, das zum schreiben verführt, heißt es bei friederike mayröcker. und zugleich findet man eigene überlegungen und schwammige ahnungen präzise formuliert. das ernüchtert zuweilen, entmutigt manchmal, bestätigt jedoch gelegentlich auch und spendet zuversicht.

tagebuchblätter kennen keine fabel. in vielen schichten wird hier das leben empfunden und gedacht. jeder tag ist eine neue tür, man hält ausschau nach dem bruder, ist auf der suche nach dem eigenen ich. wie jedes andere literarische genre, so sind auch die tagebücher an die polarität des lebens gebunden. charaktere werden einbezogen, poesie und wissenschaft können sich begegnen, wahrnehmungen, überlegungen, verknotungen werden sichtbar. kurze hingesetzte aphorismem stehen gleichwertig neben einer ausführlichen literarischen schilderung. (…) auf jeder seite eine neue geologische schicht, getragen von demselben urgestein. (…) nur scheinbar werden die einzelnen aufzeichnungen durch das kalenderblatt getrennt. Die mitternacht ist keine zeitliche zäsur. beobachtungen wandeln sich des nachts, versinken, tauchen nach wochen wieder auf. tagebuchblätter folgen einem tieferen gesetz, sie deuten auf die doppelte ordnung in unserem leben hin. das tagebuch ist zustrom, zentrum, bekenntnis. nur dort, wo es bekennt, strahlt es aus, wird „fremdes dasein im eigenen“ aufgelöst. (hans cibulka, sanddornzeit, halle 1971, 77f.)

die heile, in sich geschlossene landschaft (…) ist für immer vorbei. unsere felder, wälder und gärten sind von geräuschen zerschnitten. viele landschaften sind leer geworden, sie haben ihren mittelpunkt verloren, die stille. was bedeutet uns heute noch landschaft? welchen sinn, welchen wert ordnen wir ihr zu? welche funktion räumen wir ihr ein? (…) landschaft ist auftrag, hinweis auf ein gemeinsames, auf ein stück dasein, das mit innerer stimme zu uns spricht, auf uns zukommt. sie blättert uns ihre eigene vergangenheit auf, wartet, damit wir uns in ihr begegenen. (…) jede poetische landschaftsschilderung gleicht einem unbeirrbaren gericht. an ihr wird ablesbar, in welcher richtung der künstler mit all seinem denken und sinnen tendiert. (ebd., 93f.)

wenn wir heute von der berufung der poesie sprechen, so heißt das für mich die welt erkennen, den menschen aufrichten, poesie als transmission. (ebd., 98)

im augenblick wohne ich allein; ich schlendere durch die zimmer und denke mir: was denn mehr, eine kleine wohnung voller bücher und ganz für sich sein. irgendwo, irgendwie wird sich schon ein wenig geld verdienen lassen, damit ich den rest der zeit mit dem lesendenkenschreiben verbringen kann. – was sich natürlich wiederum schwer mit dem wunsch nach der großfamilie und dem politischen, zivilgesellschaftlichen engagement verbinden lassen würde …

sprachen, in denen eine lesekompetenz zu erwerben wäre (!): altgriechisch, hebräisch, arabisch, türkisch, tschechisch, polnisch, russisch, chinesisch. – das reichte für ein leben, aber es wäre nur ein ausgangspunkt.

ich habe keine einfälle, ich habe nur erinnerungen, die manchmal ungenau werden.

lauter menschen, die dir überlegen sind … (lenz).

Veröffentlicht unter Uncategorized | Schreib einen Kommentar