geträumt: gerhard schröder hielt eine brand- und levitenlese-rede auf einem spd-parteitag: ihr habt es versaut, in der koalition habt ihr endgültig es versaut.

kann man den auftakt der poesie, den anfang des erzählens präzise benennen? – ich erinnere mich an verschiedene szenen, aber nicht an eine ur-szene, von der ich ruhigen und das heißt: guten gewissens behaupten könnte, da überkam mich die poesie und ließ mich fortan nicht mehr los. sie lässt mich zwar nicht mehr los, meine ruh ist ganz hin – und das ist gut so …, aber es war kein überfall der poesie, sondern mehr ein einsickern oder auftauchen. geschichten, die ich erzählte und erträumte, karten, die ich zeichnete, wo hinterm feuerlöschgerätewerk, das gemeinhin nur flader nach dem kapitalistischen besitzer und fabrikgründer genannt wurde, kanada begann, was zu irritationen meiner mutter führte; ich erinnere mich an handlungen und fabeln, plots, die mir einfielen, während ich von der bushaltestelle auf dem markt heimlief, meistens zu ferienbeginn, wenn der unterricht kaum zwei stunden dauerte und ich mit dem bus fahren musste, durfte, eine kaum zu übersehende zeitfläche dehnte sich vor mir aus, in der, so schien’s auf dem weg hinab ins schwarzwassertal, genug raum sein würde für die mannigfaltigste erzählung, ich erinnere mich an das fichtelberg-gedicht, konventionelles kreuzreim-schema, das ich auf der erika-schreibmaschine meiner großmutter abtippte und von dem s. b. vor allem andern meinen kühn darunter gesetzten namen bemerkte – nein, ich erinnere mich an keine ur-szene, das erzählen war schon immer da, das bemühen, mit der sprache der wirklichkeit beizukommen, die auf mich rücksichtslos einstürzte. auch das ist freilich so wahr, wie es falsch ist, denn erinnern heißt vergessen und geschichten erfinden, die stimmen. – bei uwe tellkamp war das offensichtlich ganz anders, aber ich vergleiche mich nicht, wohin käme ich denn, wer bin ich schon?

die kunst. am 16. mai 1985 um 15 uhr 30 sah uwe tellkamp das sonnenlicht auf die rosen im garten fallen und begann zu schreiben. so erzählt er das. als hätte er angefangen zu bluten oder zu schwitzen. es passierte ihm. etwas hört auf, etwas fängt an. die zeit bekommt einen knick. bis heute hat er nicht mit dem schreiben aufgehört. er hat sich entschieden – er hört mit der medizin auf. (…) die erste szene kommt wie ein flash, erzählt tellkamp. auch der erste satz, er wird ihm geschenkt, er leuchtet. am anfang, sagt tellkamp, sei er voller bilder. danach müsse er den raum, den er beschreiben will, immer wieder in sich erzeugen. dann kommen die figuren zurück, gefolgt von sätzen, und er untersucht seine helden wie patienten, schreibt langsam die diagnose. (…) (in: christine meffert: wie fange ich an? in: der tagespiegel vom 09.01.05; 18.03.09: www.tagesspiegel.de/zeitung/die-dritte-seite;art705,1976203.)

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