die ankündigung eines bergbau-unternehmens, in der lausitz nach kupfer schürfen zu wollen, nimmt richard kämmerlings zum anlass, über den bergbau als „identitätsstiftenden mythos“ der ddr nachzudenken.1 die hinwendung zum kumpel schien mir bislang aus derselben motivation heraus vollzogen worden zu sein, aus der heraus auch (allenthalben missglückte) poeme über den (genossenschafts-) bauern mehr fabriziert als geschrieben wurden, aber wenn man es einmal so betrachtet, spricht einiges für diese perspektive. allerdings war die bauern-metapher schon durch die andere diktatur besetzt. andererseits waren die motive aus dem bergbau seit dem berggeschrei des fünfzehnten jahrhunderts in der bildenden kunst und der literatur auf eine ganz andere, weniger geschönte weise als das alteuropäische landleben mit der modernen auffassung von arbeit als individualisierter lohn-arbeit und zugleich als parabel für die existenz des neuzeitlichen subjekts, für die geworfenheit des menschen in zusammenhang gebracht worden („… wir hauen das gesteine los / bei licht in steter nacht. // glückauf! ist unser losungswort / im düstern gang und schacht. / wir sitzen mit gefahr vor ort, / …“). die bergbau-metapher war insofern schon vorgeprägt: man betrachte etwa den annaberger bergaltar oder verfolge die schilderungen in novalis‘ heinrich von ofterdingen („der ist der herr der erde, / der ihre tiefe misst / …„).

der prototyp für den „aktivisten“ war der bergmann adolf hennecke – in anlehnung an den sowjetischen bergmann alexei stachanow. hennecke fuhr seine „leistungsschicht“ im lugauer karl-liebknecht-schacht, also am rande des erzgebirges mit seiner achthundertjährigen bergbau-tradition. vermutlich kein zufall, denn es hätte sich beispielsweise auch das mansfelder kupfer- oder das lausitzer braunkohlerevier angeboten, aber ein tagebau, wie im letzteren, passt nicht recht ins überkommene bild. – „ich bin bergmann. – wer ist mehr?„, war insofern eine (staats-)programatische devise.

es ist dabei nicht erst franz fühmann, der die bergmännische tätigkeit mit dem (geisteswissenschaftlichen) forschen vergleicht; die paralelle liegt womöglich sogar recht nahe: „heute, da ich dies schreibe, weiß ich, daß das bergwerk ein gutes modell für jeden prozeß eines eindringens in unbekannte bezirke ist; damals begann ich es zu erfahren, in jähen und jäh wieder innehaltenden schüben. man dringt da ein, wo etwas lockt, aber lockendes muss sich ja zuerst zeigen. es braucht dies nicht in einer gestalt zu geschehen, die sich sofort als nutzbringend dartut; es genügt, wenn ein geheimnis lockt, so steht etwa in einer belebten straße ein scheinbar unbewohntes haus da, mit seltsam öden und doch stets blanken fenstern, und das rätsel des dahinter – oder eine höhle im fels, eine spalte im erdreich, und das rätsel dahinter. (…)„.2 seine dissertation über den erzgebirgischen silberbergbau leitet christian meltzer mit der feststellung ein: „ist etwas, darmit das studiren artlich kan verglichen werden, so ist es gewiß das edele bergkwerck, eine alte ehrliche kunst und nahrung, eine sauere, doch aber unentbehrliche arbeit, die allenthalben unsäglichen nutzen schaffet. (…)3

1 richard kämmerlings, tiefenbohrung. der bergbau und die dichter, in: faz vom 09.04.10.

2 franz fühmann, im berg. texte aus dem nachlaß, hrsg. von ingrid prignitz, rostok 1991, s. 55.

3 christian meltzer, glück auff! de hermundurorum metallurgia argentaria. vom ertzgebürgischen silber-bergkwerck dissertatio, leipzig 1680, s. 2. – meltzer stammt aus wolkenstein, wird später pfarrer in buchholz und entwickelt dort eine umfassende chronikalische tätigkeit, so dass man ihn (wie andere gelehrte pfarrer aus dem erzgebirge auch, beispielsweise den scheibenberger christian lehmann) mit einigem fug und recht als einen ethnologen, volks- und landeskundler avant la lettre bezeichnen kann (vgl. stefan dornheim, das lutherische pfarrhaus und die anfänge heimat- und landeskundlicher forschung in sachsen (1550-1750), in: nasg 79 (2008), s. 137-159); der verteidigung der arbeit saß adam rechenberg vor, leipziger geschichts- und theologieprofessor, schwager von christian thomasius und schwiegersohn philipp jakob speners; rechenberg selbst stammt wiederum aus leubsdorf am fuße der augustusburg – die bezüge nehmen überhand, je tiefer man bohrt und gräbt, die stollen und schächte verzweigen und verflechten sich immer weiter: eine einzige klöppelei …

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