als ich chemnitz vor mir liegen sah im zarten frühlingsgrün, beleuchtet vom abendlicht, umgeben von sanft bewaldeten bergen, kam mir der gedanke: lieblich ist es, das erzgebirge. besonders in solchen momenten bin ich einerseits ganz beseelt davon, mit dem erzgebirge einen schatz oder die möglichkeit eines schatzes zufälligerweise und ganz unverdientermaßen vom umstand meiner geburt her in den schoß gelegt bekommen zu haben. und andererseits fürchte ich dann zugleich, mir könnte irgendjemand das erzgebirge oder vielmehr meine erzgebirgs-expertise vor der nase wegschnappen, die einstweilen zwar immer noch mehr die möglichkeit einer kennerschaft als tatsächliche kennerschaft ist, zu der ich aber die besten voraussetzungen habe, denn zu welcher kennerschaft sollte ich sonst berufen und noch berechtigter sein? freilich ist berechtigung das eine – und befähigung das andere. aber befähigung vermag man sich noch eher zu erwerben als berechtigung.
ich weiß auch nicht, wann meine erzgebirgs-begeisterung begann. einerseits habe ich die vorstellung, dass sie schon immer da gewesen ist, solang ich mich erinnern kann, zumindest erinnere ich mich an geschichten aus den neunziger jahren, die eine art geopoetischer fingerübung am beispiel des erzgebirges waren: amalgamierungen aus popkulturelementen und abseitigen aspekten der lokalen vergangenheit. andererseits scheint sie mir erst aus der leipziger distanz bewusst geworden zu sein, wo ich zwar nicht ausschließlich auf das erzgebirge reduziert wurde, aber wo ich, geradezu notwendigerweise, stärker als zuvor damit in zusammenhang gebracht wurde und meine identität zu einem nicht unbeträchtlichen teil daraus ableitete oder darauf bezog. vielleicht ist beides gleichermaßen unzutreffend wie es zutreffend ist.
aber bei allen unternehmungen, die mir in den sinn kommen und die ich beginnen will, setzen hemmungen und beklemmungen ein, die stärker werden, je länger sie währen und ein beginnen immer weiter erschweren. ich fürchte in jedem fall, ganz gleich wie er beschaffen sein mag, in der begegnung mit dem in frage stehenden gegenstand könnte sich meine mittelmäßigkeit und unzulänglichkeit ein für alle mal und unabweisbar herausstellen. ich fürchte, die begeisterung zu verlieren und nicht genügend zähigkeit aufbringen zu können, um die enttäuschungen während der arbeit zu ertragen und die schwierigkeiten zu meistern, die sich unweigerlich einstellen. dabei kann ich mir kaum etwas erfüllenderes vorstellen als immerzu zu lesen und zu schreiben – erst recht wenn es um das erzgebirge geht. aber ich fürchte meinen erwartungen nicht zu genügen und diese furcht kann mir niemand durch ein noch so schmeichelhaftes lob nehmen, das ich ohnehin bloß für eine geste der höflichkeit, wenn nicht gar des mitleids halten würde. ich fürchte, dass mich die lektüre ermüdet statt dass sie ermuntert weiterzumachen. ich fürchte der mühsal nicht gewachsen zu sein und die langwierigkeit nicht zu ertragen. aber am meisten fürchte ich, dass jemand auftritt und genau das tut, was ich tun möchte – und mir so beweist, dass ich es hätte tun können, wenn ich nur begonnen und nicht mehr aufgehört hätte.
skrupulös? ohne zweifel. es ist ein kreuz.

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